16. Mai 2023 | erlebt, Start-News

Radioandachten zum Nachlesen

In der Woche vom 15.- 21.Mai 2023
kamen die Radioandachten bei Radio Bremen 2 aus der Feder  von Carsten Hokema.

Hier kann man sie nachlesen. Zu hören sind sie auf der Seite von Radio Bremen 2 hier!

Montag, 15.Mai 2023
Herzlichen Glückwunsch, Euch Familien! Heute vor 30 Jahren wurde zum ersten Mal der ‚Internationale Tag der Familie‘ gefeiert. 1993 haben die Vereinten Nationen diesen Tag ins Leben gerufen. Jedes Jahr soll daran erinnert werden, wie wichtig Familien sind.
Für Gesellschaft und Staat, aber auch für jeden einzelnen Menschen.
In der Familie werden grundlegende Dinge fürs Leben gelernt: Gruppenverhalten, Feiern und Versöhnen, aufeinander achten, Verantwortung übernehmen und vieles mehr.

In der Familie wird man auch einfach beschenkt: Mit Liebe und Zuwendung, mit Vertrauen und ganz praktischer Hilfe fürs Leben.

Seit 1993 haben sich aber neben den klassischen Familienmodellen mit Vater, Mutter, Kind auch weitere Familienkonstellationen entwickelt. Das Leben ist vielfältiger und bunter geworden. Auch das Familienleben.

Ich denke heute an Menschen, die keine Familie haben. Vielleicht hatten sie einmal eine. Die Familienangehörigen sind vielleicht weggezogen oder verstorben.
Oder Streit hat die Familie auseinandergerissen. Manchmal kommt es in Familien ja auch zu schlimmen Konflikten. Man hat dann jahre- oder jahrzehntelang keinen Kontakt zueinander und geht sich aus dem Weg.
Die Familie, in der Jesus von Nazareth groß wurde, die stand auch einmal ganz knapp vor dem Auseinanderbrechen. Jesus war älter geworden und bereits ein bekannter Lehrer. Eine Volksmenge umringt ihn und hört ihm gebannt zu. Seine Familie kommt dazu und möchte ihn sprechen. „Sagt Jesus mal, dass seine Mutter und Brüder da sind. Wir möchten mit ihm sprechen.“ Die Antwort Jesu muss für die Familie wie eine Ohrfeige gewesen sein: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“

Starker Tobak für Mutter und Brüder vor der Tür! Aber glücklicherweise ist die Familie von Jesus nicht eingeschnappt gewesen. Jedenfalls nicht lange.
In der Bibel wird berichtet, dass sie weiter Kontakt zu Jesus hatten.
Jesus hat mit seinen Worten deutlich gemacht, dass es neben der Herkunftsfamilie noch eine andere Familie gibt. ‚Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst‘.
Wo Menschen im Alltag Liebe leben, da entsteht eine bunte und vielfältige Familie. Jesus öffnet den Kreis seiner Familie. Er nimmt alle Menschen mit hinein in die große Familie Gottes. Die Liebe macht es möglich.


Dienstag, 16.Mai 2023
Für mich ist das fast ein kleines Wunder. In dem Stadtteil, in dem ich in Hamburg lebe, hat sich echt was verändert. 
Vor knapp drei Jahren gab es hier sehr viele Probleme im Miteinander. Es wurde mit Drogen gedealt. Die Stimmung in der Nachbarschaft war angespannt. Eltern hatten Sorge um ihre Kinder, die auf dem Spielplatz Utensilien für Drogenkonsum fanden. Manche Menschen aus der Nachbarschaft reagierten scharf und wütend auf die Situation.

Mitten im Stadtteil steht unsere Kirche. Sie öffnete ihre Türen.
In einem langen Prozess kam es zu fast einem Dutzend ‚Runder Tische‘. Die Nachbarschaft traf sich mit Mitarbeitenden der Stadt, der Politik, von Sozialeinrichtungen und der Polizei.
Die Gespräche waren oft mühsam und es brauchte Geduld und jede Menge Verständnis füreinander. Allen war klar, dass es nicht einfach darum gehen kann, Menschen aus dem Stadtteil zu verdrängen. Man muss einen Umgang mit der Situation und Hilfen finden, die für alle Beteiligten gut sind.

Besonders beeindruckend war für mich eine Veranstaltung Ende vergangenen Jahres in der Kirche. Die Sozialarbeiter hatten drei Drogenkonsumierende eingeladen. Sie berichteten offen aus ihrem Leben. Und sie stellten sich den Fragen der Anwesenden.
Viele der knapp 100 Gäste hörten, was es bedeutet, drogenabhängig zu sein.
Die Antwort auf die Abschlussfrage des Abends wirkt bis heute in mir nach. „Was wünscht ihr euch für das Miteinander im Stadtteil?“ Die Antwort: „Dass ihr uns behandelt wie normale Menschen!“
Es schloss sich eine angeregte und auch bewegende Diskussion an.
In unserem Stadtteil gibt es auch weiterhin noch Herausforderungen. Der lange Weg hat sich aber wirklich gelohnt. Einmal in der Woche veranstaltet unsere Kirchengemeinde abends ein Nachbarschaftstreffen unter freiem Himmel.
Letzte Woche waren die drei, die vor ein paar Monaten in der Kirche aus ihrem Leben berichtet haben, auch wieder dabei. Und Leute aus der Nachbarschaft sind auf sie zugegangen. Sie haben wieder miteinander gesprochen.
Nein, es sind noch längst nicht alle Probleme gelöst, und es gibt noch manches zu tun.
Aber in der Nachbarschaft sind wir miteinander ins Gespräch gekommen.
Und wir begegnen uns von Mensch zu Mensch.

Ja, es hat sich wirklich etwas verändert. Fast ein Wunder.


Mittwoch, 17.Mai 2023

Ich bin im Leben mittendrin. Ich habe Kontakt mit vielen Leuten. Dienstlich und auch privat ist mein Terminkalender ganz gut gefüllt. Nach einem Arbeitstag, an dem ich meistens Leute treffe, mit denen ich ganz gut klarkomme, kann ich mich abends auch noch mit Leuten treffen, die ich besonders mag und die mich auch mögen.
Es gibt aber auch Menschen, die sind ‚außen vor‘. Sie gehören nicht so richtig dazu. Weder im Berufs- noch im Privatleben. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Manchmal gehören sie einfach nicht dazu, weil sie anders sind als andere. Sie entsprechen nicht der ‚Norm‘, die die Mehrheit ‚normal‘ findet. Ihnen gegenüber gibt es Vorbehalte, Berührungsängste und manchmal sogar Anfeindungen.
Von einem Mann, der ‚außen vor‘ ist, berichtet die Bibel. Dienstlich hat er zwar jede Menge Termine, er hat es auch zu etwas gebracht, aber privat tut sich da kaum etwas.
Sein Beruf ist wenig anerkannt. Vielleicht muss er auch Spott ertragen, nur weil er auch noch anders aussieht als andere Männer. Er ist auffallend klein. Er ist eben nicht das, was man sich unter einem Mann so vorstellt.
Es wird erzählt, dass dieser Mann einmal Jesus sehen wollte. Klein, wie er war, wäre er aber in den Menschenmenge, die Jesus immer umgab, untergegangen. Er wäre – wortwörtlich – von allen übersehen worden und hätte selbst nichts gesehen.
Was macht er? Er klettert auf einen Baum, um Jesus zu sehen. Er sitzt also im Baum und sieht Jesus und die Menschenmenge auf sich zukommen. Keiner sieht ihn. Sowieso nicht und auch nicht, weil er zwischen den Zweigen nicht zu sehen ist.
„Als Jesus an die Stelle kam, sah er hoch und sagte: ‚Steig schnell runter, ich will heute unbedingt dein Gast sein!‘“

Mit dem, was Jesus gesagt und getan hat, hat er gezeigt, wie das Leben gelingen kann. Jesus hat vorgemacht, wie man Leute mit hineinnehmen kann in die Gemeinschaft und in Freundschaften. Er hat den einzelnen Menschen gesehen. Er hat hingeschaut. Er hat sich auf eine Begegnung eingelassen.
Für viele Menschen wird es Zeit, dass wir ihnen offen und ohne Ablehnung begegnen.
Dass wir hinschauen und sie anschauen. Und ihnen begegnen.

Nicht nur, aber gerade auch heute am Internationalen Tag gegen Homophobie.


Donnerstag, 18.Mai 2023
‚Multiplanetar‘ soll die Menschheit werden. Das heißt, Menschen sollen auf mehreren Planeten leben können. Mit der Besiedelung des Planeten Mars soll es losgehen. Das war und ist die Idee hinter der Firma SpaceX, die Elon Musk vor mehr als 20 Jahren gegründet hat. Im vergangenen Monat konnte man wieder einmal einen Raketenstart miterleben. So richtig erfolgreich war das nicht. Aber immerhin, so war zu hören, doch sehr wichtig für die weitere Entwicklung der menschengemachten Flugkörper für den Himmel.

Heute ist ‚Himmelfahrtstag‘. Lange bevor ‚Vatertag‘ gefeiert wurde, gab es den Himmelfahrtstag. Seine Bezeichnung hat er von der Himmelfahrt Jesu.
Wie ist Jesus eigentlich nach Tod und Auferstehung, nach Karfreitag und Ostern, zu Gott in den Himmel gekommen? Mit SpaceX hatte das ganz bestimmt nichts zu tun …

In der Bibel gibt es vier Berichte unterschiedlicher Autoren über das Leben Jesu.
Zwei Autoren berichten auch von der Himmelfahrt Jesu. Sie tun das mit ganz unspektakulären Worten. „Nachdem Jesus noch einmal geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes.“

Heute habe ich, wenn es um Fragen der Raumfahrt geht, 1000 Fragen an die Wissenschaft. Wird es klappen? Wie? Wo? Wann?
Bei der Himmelfahrt Jesu geht es den Berichterstattern nicht um wissenschaftliche Fragen. Sie haben ein anderes Interesse. Himmelfahrt, das heißt für sie einfach:
Jesus hatte sozusagen einen ‚himmlischen Vatertag‘. Er ist wieder bei seinem himmlischen Vater. Gott und Jesus gehören einfach zusammen! Wie Vater und Sohn eben zusammengehören!
Es geht in den biblischen Berichten also nicht um Planeten und auch nicht um Raumfahrt. Es soll auch nicht gesagt werden, dass Gott und Jesus jetzt irgendwo gemeinsam auf einem Planeten sitzen und sich das Treiben auf der Welt unbeteiligt aus der Ferne anschauen.  ‚Himmel‘, das steht eben nicht für einen bestimmten Ort. Gesagt werden soll: Gemeinsam mit seinem Vater hat Jesus jetzt den Überblick über alle Menschen.

Und Gott meint es nach wie vor sehr gut mit allen Menschen.
Kurz vor der Himmelfahrt hat Jesus seinen Leuten noch gesagt:
„Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!“
Jesus ist also auch noch auf unserem Planeten.
Wir können Jesus zwar nicht mehr sehen. Aber er sieht uns.
Und er meint es gut mit uns. Mit uns und unserem Planeten.



Freitag, 19. Mai 2023

Ich traute meinen Augen nicht. Letzten Samstag habe ich mal wieder einen Spaziergang in Hamburg gemacht. Diesmal wollte ich allerdings mal nicht die aufblühende Natur in einer der vielen Parkanlagen genießen.
Aus lauter Neugier wollte ich mal schauen, wie weit die Abrissarbeiten eines riesigen Industriegeländes mitten bei uns in Altona fortgeschritten sind. In den nächsten Jahren sollen hier 1200 neue Wohnungen entstehen. Nachdem ich die riesige Stein- und Abrisshalde halb umkreist hatte, schaute ich Richtung Fernsehturm und riss die Augen auf. Da war – perspektivisch direkt vor dem Fernsehturm, nur viel kleiner – ein anderer Turm zu sehen. Jahrzehntelang konnte man den Kirchturm unserer Christuskirche, die direkt am S-Bahnhof Holstenstraße liegt, wegen der hohen Industriegebäude nicht sehen.
Jetzt bot sich mir ein ganz neuer Anblick: Vor mir die Geröllhalden und dahinter der Kirchturm samt Hamburger Fernsehturm.
Und das Ganze ganz ohne Regen vor strahlend blauem Hamburger Himmel.
Ich musste lächeln. Und ich habe mich gefreut. So ist das wohl manchmal mit der Kirche: Sie ist nicht zu sehen und doch ist sie da. Die Christuskirche war die ganzen vergangenen Jahrzehnte an derselben Stelle. Sie war nur nicht zu sehen.
Veränderungen, Standort- und Perspektivwechsel sorgen für einen neuen Blick.

Jesus hat einmal gesagt, dass Gottes Reich ‚schon ganz nah herbeigekommen ist‘. Man könne aber nicht sagen ‚Schau her, hier ist es oder da!‘ Es gibt also keine sichtbaren Beweise, dass Gott auf dieser Welt wirkt und etwas bewegt, tut, voranbringt. Und doch ist er da, denn Jesus hat auch gesagt: ‚Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch.‘  Jesus wollte sagen: ‚Gott ist am Wirken in euch Menschen.
Vielleicht ist es nicht offensichtlich für euch, aber Gott ist dennoch da.‘

In den nächsten Jahren werden Baukräne und dann auch wieder neue hohe Häuser in unserem Stadtteil stehen.
Die Spitze des Fernsehturms wird man dann wohl noch immer sehen können.
Den Kirchturm nicht mehr.

Die Christinnen und Christen, die daran glauben, dass Gottes Spuren im Stadtteil und in den Menschen zu entdecken sind, die werden ihre Augen weiter offen halten.



Samstag, 20. Mai 2023

Morgen ist Sonntag. Manche Leute gehen dann in die Kirche.
Ich werde das auch wieder machen.
Morgen ist Sonntag. Manche Leute würden statt in die Kirche zu gehen, der Kirche erstmal am liebsten aufs Dach steigen. Auch dieses Bedürfnis kenne ich.

Letzte Woche habe ich von Leuten gehört, die beides tun. Sie gehen in die Kirche und sie steigen der Kirche aufs Dach. In dem kleinen Dorf Kleinwudicke in Brandenburg gibt es keine Kirchenmitglieder mehr. Aber andere Christinnen und Christen sind sie der Kirche in Kleinwudicke aufs Dach gestiegen. Buchstäblich! Mit Leitern und Sicherungsseilen.
Und dann haben sie die Kirche abgerissen. Na ja, nicht ganz.
Sie haben die Kirche abgetragen. Sie haben die kleine Kirche ‚dekonstruiert‘. Zurückgebaut. Dachziegel um Dachziegel, Stein um Stein und Balken um Balken.

Als sie die Kirche auseinandergenommen hatten, haben sie die zigtausend Einzelteile auf Anhänger geladen. Mit Treckern und LKWs haben sie die Kirche in das etwas größere Nachbardorf gebracht. Nach Jerchel in Brandenburg. Dort gibt es immerhin noch 23 Kirchenmitglieder. Nur haben die seit gut 40 Jahren keine Kirche mehr.
In den 80iger Jahren wurde die baufällige Kirche in Jerchel nämlich wirklich abgerissen. Die DDR-Regierung hatte wenig Interesse daran für einen Neubau zu sorgen.
Seitdem lag mitten in Jerchel ein Grundstück brach.
Bis die Trecker mit den Anhängern kamen.
Und jetzt nach ein paar Jahren Arbeitszeit steht in Jerchel wieder eine Kirche.
Und das ganz ohne Kirchensteuergelder. Viele Ehrenamtliche haben tatkräftig angepackt. Auch viele Kooperationspartner haben sich mit engagiert.
Das Beste daran finde ich aber, dass die Kirchenmitglieder nicht nur an sich gedacht haben. Sie wollen nicht einfach wieder eine Kirche für die wenigen Kirchenmitglieder haben.
Jerchel liegt an der Havel. Mehrere wunderschöne Radwanderwege kreuzen sich im Dorf.
In Jerchel steht jetzt die erste ‚Fahrradkirche‘. Leute, die mit dem Fahrrad unterwegs sind, werden eingeladen, Halt zu machen, anzuhalten und innezuhalten.
Sie sollen mitten in ihrer Freizeit die Möglichkeit haben, die gute Nachricht von Jesus Christus zu hören – oder einfach einen schönen Ort haben, um auszuruhen.
Wenn Leute der Kirche aufs Dach steigen, dann kann daraus wirklich gutes Neues werden.

Morgen gehe ich wieder in die Kirche. Und ich werde auch an die Leute in Jerchel denken.