Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 1
Erster Teil des Artikels ‚Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes‘ (veröffentlicht am 15.Juni 2020)
Mitte März diesen Jahres mussten wir die Gottesdienste in unserer Kirche bedingt durch Corona einstellen. Nahezu zeitgleich fingen wir an, Gottesdienste ins Internet zu übertragen.
Mit diesem und den beiden folgenden Artikeln möchten wir einen Einblick in das Geschehen rund um die neue, mittlerweile schon ‚normale‘ Art von Gottesdienst geben.
Die Entstehung der Streaming-Gottesdienste
Die Streaming-Gottesdienst sind aus der Not geboren. An allen Ecken und Enden des gesellschaftlichen Lebens ploppten Mitte März digitale Angebote wie Pilze aus dem Boden, nachdem die erste Hälfte des Monats noch ziemlich ‚normal‘ verlaufen war.
Ein Virus legte an vielen Stellen der Welt nicht etwa das Internet, sondern den Alltag lahm.
Also wich man auf das vor biologischen Viren sichere World Wide Web aus.
Am 1. und 8. März sahen nur Wenige eine Pandemie anrollen, unsere Gottesdienstblätter wiesen jedoch schon einmal darauf hin, dass man bei der Begrüßung im Gottesdienst bitte Körperkontakt vermeiden möge.
Am 15.März waren allerdings vorsichtshalber schon wesentlich weniger GottesdienstbesucherInnen in der Christuskirche. Unser Gemeindeleiter Stefan Hoyer hatte dafür gesorgt, dass wir bereits an diesem Sonntag per Livestream außerhalb der Kirchenmauern zu sehen waren.
Er hatte Jonas Eisenmann angesprochen, der sich – wie es auch in den Folgewochen- und Monaten bleiben sollte – hingebungsvoll, zeitaufwänding, kenntnisreich und hochmotiviert an die Arbeit machte.
Vor der ersten Live-Übertragung hat ein Arzt aus unserer Gemeinde uns allen noch vor laufender Kamera Mut gemacht, dass wir sicher sind, wenn wir uns an die vorgegebenen Regeln halten. Und das waren wir dann auch. Und wir blieben auch sicher und bewahrt über die ganzen Wochen und Monate bis zum heutigen Tag.
Das Miteinander der Innenstadtgemeinden in den zurückliegenden Jahren führte nach dem 15.März zu zahlreichen Kontakten zwischen den Gemeindeverantwortlichen.
„Wer kann streamen?“, „Wie macht man das?“, „Was ist zu bedenken?“ und „Wir sollten zusammenarbeiten!“.
Noch vor dem Lockdown traf man sich am 22.März, innerlich schon aufgrund der zurückliegenden Erfahrungen nah, aber doch mit virengebührendem Abstand, einmal – und das war dann auch das letzte Mal – gemeinsam an einem Ort (Clubraum Christuskirche).
Die GemeindeleiterInnen der Gemeinden Grindelallee, Ottensen, Eimsbüttel, Hamm und Altona beschlossen, nachdem sie dies zuvor mit ihren Gremien abgesprochen hatten, gemeinsame ‚Gottes-Streamste‘ zu veranstalten.
Noch vor Ort wurde der Gottesdienstablauf für den 22.März abgesprochen. Die ersten beiden Gottesdienste fanden mit jeweils ‚geteilten‘ Predigten statt, um möglichst viele Hauptamtliche der Gemeinden zu beteiligen. Doch schon nach zwei Wochen wurde klar, dass das zu Überfrachtungen der Gottesdienste führte.
Nach dem ersten gemeinsamen Gottesdienst trafen sich die GemeindeleiterInnen und Hauptamtlichen der Gemeinden dann immer dienstags von 17:00 bis ca. 18:30 per Zoom, um die Gottesdienste vorzubereiten.
Die Vorbereitung per Internet
Die Zoom-Treffen spielten sich Woche um Woche besser ein. War die technische Hürde erst einmal genommen, so hatten alle Beteiligten die bis zu 10 anderen Mitarbeitenden auf dem eigenen Bildschirm vor Augen. An diese Arbeitsweise mussten sich viele der Teilnehmenden zunächst einmal gewöhnen.
Wenn bis zu einem Dutzend Menschen mit Ton und Bild in einem virtuelle Konferenzraum zusammen sind, sind ‚Verhaltensregeln‘ für das Sprechen und die Beteiligung an der Planung unerlässlich. Alle lernten, sich zu melden, wenn sie etwas sagen wollten und Stück um Stück wurde auch deutlich, dass nett gemeinte, spaßige Verkleidungen, Bemerkungen, Einblendungen oder auffällige Verhaltensweisen vor der Kamera möglichst eingeschränkt werden sollten, um die Kommunikation und Konzentration zu verbessern. So wurde z.B. ein immer wieder eingeblendetes Eichhörnchen vom Bildschirm verbannt… .
Am Ende jeder Sitzung wurde der Sitzungsleiter und ein Protokollant für den kommenden Dienstag festgelegt.
Inhaltlich und auch formal hatten die Gemeinden zu Beginn der Planungen versäumt, ‚Pflöcke einzuschlagen‘ und so kam es im Laufe der Wochen immer wieder zu Grundsatzdiskussionen (z.B.: Wie sprechen wir die GottesdienstbesucherInnen an? Liebe Zuschauer oder Liebe Gemeinde; soll es einen Dress-Code vor der Kamera geben oder nicht?; …).
Das Thema Musik im Gottesdienst – wie konnte es auch anders sein? – war immer auch wieder auf der Tagesordnung.
Schon die Planung eines Gottesdienstes in einer Gemeinde kann herausfordernd sein. Wenn sich jedoch fünf Gemeinden absprechen wollen, dann kann man sich vorstellen, dass das eine besondere Herausforderung ist.
Oft kam es nach den Online-Vorbereitungs-Konferenzen noch zu bilateralen Absprachen, Klärungsgesprächen und Detailplanungen per Telefon. Der zeitliche Aufwand für die Planung eines Gottesdienstes war dadurch manchmal enorm hoch.
Mithilfe der Cloud unserer Gemeinde konnte die Kommunikation der Gemeinden untereinander jedoch wesentlich vereinfacht werden. Protokolle, Abläufe und Dateien für die Gottesdienste konnten in guter Ordnung online abgelegt und bei Bedarf dann eingesetzt werden. Hätten sich immer alle Beteiligten an die zeitlichen Vorgaben gehalten, hätte das System auch ausgezeichnet funktioniert. Meistens, das muss gesagt werden, war das auch der Fall.
Nicht selten musste Jonas Eisenmann jedoch auch nachfragen, nachhaken und Fehlendes einfordern. Das hat er jeweils mit großer Gelassenheit und guten Worten getan. Unser Techniker wurde so manchmal ungewollt zum Koordinator und Motivator für die Gottesdienste.
Die Chat-Funktion der Cloud stand an manchen Tagen nicht still. Bei fünf beteiligten Gemeinden gab es fast täglich etwas zu klären oder zu besprechen.
Nach einigen Wochen hatte sich sowohl das Verhalten bei den Zoom-Konferenzen als auch bei den Chats so gut eingespielt, dass es von allen Gemeinden als normal empfunden wurde.
Das Miteinander entwickelte sich Stück um Stück. Dienstags plante man und sonntags sahen sich dann einige MitarbeiterInnen in einer der beteiligten Gemeinden, um gemeinsam zu streamen. Dadurch entstand eine besondere Gemeinschaft. Man freute sich aufeinander, sah nach ein paar Wochen Manches auch nicht mehr so ganz verbissen und genoss vor allem alles Gelungene.
In den ersten Wochen machten auch die vielen positiven Rückmeldungen Mut. Man feuerte sich geradezu gegenseitig an, um von Woche zu Woche noch ein wenig besser, präsenter, ‚echter‘ zu werden. Natürlich gab es auch immer kritische Rückmeldungen. Diese ernst zu nehmen und gleichzeitig doch der Versuchung zu widerstehen, einen Gottesdienst zu ‚produzieren‘, der alle fünf Gemeindetraditionen immer unter einen Hut bringt, war manchmal ein Balance-Akt.
Hendrikje Keßler war am Pfingstsonntag zum ersten Mal an der Gestaltung eines Streaming-Gottesdienstes beteiligt.
Hier ist ihr Bericht.
„Man, war ich aufgeregt! Mit ein paar anderen Menschen vor gähnend leeren Stuhlreihen, zwischen Kabeln, Mischpult, Computern, Kameras einen Gottesdienst gestalten, den viele Menschen live sehen: ein merkwürdiges Gefühl! Mal wieder in dem über Jahre vertrauten Gebäude und den bekannten Räumen zu sein, war erstaunlich schön.
Die „alten Livestream-Hasen“ haben mich fröhlich willkommen geheißen und in die technischen Details eingewiesen. Die Menschen, die ich sonst nur vom Livestream kannte, in Natura zu sehen und zu erleben, fand ich sehr spannend und interessant. Es fühlte sich ein wenig so an, wie als Einzige neu in eine warmherzige, bunte, lustige Klasse zu kommen.
Am Schwierigsten war es für mich, in eine super kleine Kamera zu sprechen und mir vorzustellen, dass da jetzt gerade viele verschiedene Menschen zuhören und –sehen. Diese Gottesdiensthaltung, dieses Gefühl zu erzeugen ist schwer; das hätte ich so nicht gedacht.
Abgesehen davon hat es unheimlich Spaß gemacht! Wir saßen mit Abstand in den Reihen oder „wandelten“ in abgesprochenen Wegen mit Abstand durch den Raum vor die Kamera und wieder zurück auf unsre Plätze, hatten einen Kaffeebecher in der Hand, haben während der eingespielten Videos geklönt und herumgeflachst. (Manchmal verpasst man dann auch fast den eigenen Einsatz!) Samuel, der alleinige Mann an diesem Sonntag für die Technik, und ich, als neuer “Hüpfer“, wurden zwischendurch ermutigt, gelobt, es war eine sehr lockere und wohlwollende Stimmung. Und Carsten bei seiner Predigt direkt zu erleben und dabei immer mal wieder einen Schluck Kaffee zu nehmen, das ist schon echt klasse! Beim Abspann haben wir uns gemeinsam erleichtert gefreut, dass alles so gut geklappt hat und unserem Techniker laut Beifall geklatscht!
Zeit zum Nachbesprechen und zum persönlichen Austausch haben den Vormittag rund gemacht! Ich sehne mich schon sehr nach Gottesdiensten mit vielen Menschen in den Stuhlreihen! Bis dahin bin ich aber sehr dankbar für die Menschen, die enorme gedankliche, organisatorische und technische Arbeit leisten, um jeden einzelnen Livestream-Gottesdienst für uns alle auf die Beine zu stellen!“
Teil 1 (dieser Artikel): Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 1
Teil 2: Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 2
Teil 3: Gemeinsame Streaming-Gottesdienste beendet. Das meinen die GemeindeleiterInnen.