Keine Angst! Aufsehen! Eine ERF-Andacht für den 18.3.2021
Ein Andacht in der Passionszeit zur Täglichen Bibellese am 18.3.2021/ Lukas 21,20-28
(diese Andacht wurde am 18.3.2021 im ERF-Radio ausgestrahlt)
Lukas 21,20-28
20 Wenn ihr aber sehen werdet, dass Jerusalem von einem Heer belagert wird, dann erkennt, dass seine Verwüstung nahe herbeigekommen ist. 21 Alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe ins Gebirge, und wer in der Stadt ist, gehe hinaus, und wer auf dem Lande ist, komme nicht hinein. 22 Denn das sind die Tage der Vergeltung, dass erfüllt werde alles, was geschrieben ist. 23 Wehe den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Denn es wird große Not auf Erden sein und Zorn über dies Volk kommen, 24 und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt unter alle Völker, und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind.
25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
Mitten in der Passionszeit dieses Jahres geht es um das Ende aller Jahre, um die Endzeit. Direkt nach der Endzeitrede, die Lukas uns aus dem Mund Jesu überliefert, erzählt Lukas vom Leidensweg Jesu ans Kreuz. Passion: Jesus geht seiner ganz persönlichen ‚Endzeit‘ entgegen. Als Christinnen und Christen glauben wir, dass das Ende, der Tod Jesus am Kreuz nicht das letzte Geschehen im Lebenslauf Jesu war.
Und doch: Die Passionszeit des Kirchenjahres sollten wir nicht einfach überspringen, um sofort und vollmundig von der Auferstehung und dem ewigen Leben zu reden. Das Leiden und Sterben Jesu will bedacht sein, um dem Kern der christlichen Botschaft näher zu kommen. Auch unser eigenes Leiden muss ausgehalten werden und kann nicht einfach so übersprungen oder beiseitegeschoben werden. Aber zum Evangelium gehören eben doch Kreuz und Auferstehung. Christinnen und Christen wissen von Beidem und halten die Spannung aus.
Um Leiden und Erlösung, um Durchhalten und Spannung-Aushalten geht es auch in der Endzeitrede Jesu. Höre ich die Worte der Endzeitrede, so kann mir Angst und bange werden, wenn ich mir die Geschehnisse bildlich vor Augen führe.
Jerusalem belagert und zerstört. Schwerter rasseln, große Not auf Erden. Die armen Schwangeren und Stillenden, ach, … eigentlich sind alle Menschen arm dran!
Mir kommen Bilder aus Syrien und aus dem Jemen in den Sinn, die ich im Fernsehen gesehen habe. In etwa so schrecklich muss das sein. Ja, wenn ich mich in solche Bilder hineinsteigere, dann kann ich auch als Christ schnell mal deprimiert, mutlos oder sogar kopflos werden.
Erstaunlich ist die Nüchternheit, mit der Jesus der Situation begegnet: (V.21) „Alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe ins Gebirge, und wer in der Stadt ist, gehe hinaus, und wer auf dem Lande ist, komme nicht hinein.“ Jesus gibt ganz praktische Tipps, wie seine Leute dem Chaos und Schrecken entkommen können.
Schon als Jesus anfing, über das ‚Ende der Zeit‘ zu reden, hatte er wohl den Zielpunkt seiner Aussagen vor Augen. Er möchte nicht, dass seinen Menschen Angst und bange ist, er möchte nicht, dass sie sich fürchten. Das ist ja einer der häufigsten Sätze aus dem Mund Jesu: ‚Fürchte dich nicht! Hab‘ keine Angst!‘ Wie oft hat er das seinen Jüngern und Menschen, denen er begegnet ist, gesagt? Wie sollte er jetzt sagen: ‚Fürchtet euch vor dieser Zeit! Habt ordentlich Angst davor!‘. Nein, Jesus möchte nicht, dass seine Menschen vor Angst und Sorgen wie gelähmt sind. Er möchte nicht, dass sie, wenn sie an das Ende der Zeit denken, mit gesenktem Blick starr zur Erde schauen und womöglich warten, bis alles vorbei ist.
Er möchte, dass wir aufsehen, aufblicken. „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ Jesus macht Mut: Ihr braucht, nein, ihr sollt die Köpfe nicht hängen lassen, wenn es um das Ende der Zeit geht. Und die Beschreibungen werden ja noch dramatischer. Ging es gerade noch um die Zerstörung Jerusalems, so geht es ein paar Sätze später noch schlimmer zu. „Es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein“ und sogar das ganze Universum gerät aus den Fugen. „Die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“ Ja, wenn ich mir das jetzt auch noch bildlich vorstelle, dann wird es stockduster. Da landet keine Weltraumsonde still und präzise auf dem Mars, da geraten Sonne, Mond, Mars und Sterne durcheinander. Chaos. Licht aus. Ja, kein Wunder, dass Jesus sagt: „ … und auf Erden wird den Völkern bange sein!“
Er will aber nicht, dass Menschen Angst haben. Es ist nicht der Wille Jesu, dass Menschen ihr Leben voller Angst leben, dass Sorge ihren Alltag bestimmt. Jesus will keinen Menschen in Ängsten, in Sorge, ‚bange‘ sehen. Deswegen spricht Jesus von Erlösung. Er sagt nicht einfach: Kopf hoch! Nein, das wäre zu kurz gedacht. „Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ In der Passionszeit, wenn wir an das Leiden Jesu denken – oder auch, wenn wir selber leiden – dann dürfen, ja, dann sollen wir ‚Erlösung‘, ewiges Leben, Gottes sichtbar herbeikommendes Reich immer mitdenken, immer mitglauben.
Jesus fordert uns auf, aufzusehen, nach vorne, ihm entgegen zu sehen. Es ist ja nicht irgendeine Zukunft, die auf uns zukommt. Die Zukunft, die wir sehen sollen, wenn wir aufblicken, ist ganz eng verbunden mit der Vokabel ‚Erlösung‘. Gerade noch waren die Worte Zerstörung, Krieg und ‚Chaos der Gestirne‘ allgegenwärtig. Doch jetzt haben sie keinen Platz mehr. Jetzt nimmt das Wort ‚Versöhnung‘ allen Raum ein. Die Bedeutung und Tragweite des Wortes Versöhnung hat Jesus durch sein Leben und auch durch sein Leiden und Auferstehen in die Welt gebracht. Ja, seit Jesus kann uns wirklich „nichts und niemand, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch irgendeine Macht dieser Welt trennen von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist (Rö.8)“. Das ist die Ausrichtung der Gedanken und des Herzens, zu der Jesus seine Leute ermuntert: „Aufsehen, Erlösung naht!“ Nichts und niemand wird euch von der Liebe Gottes trennen.
Wenn Christinnen und Christen ‚aufsehen‘, dann werden sie auch nicht wie gebannt auf ihre Taschenrechner und Geschichtsbücher schauen. Sie beteiligen sich nicht an Endzeitspekulationen oder -berechnungen. Ihre Gedanken und Gefühle wären dann ja allzu sehr an Äußerliches, an Geschichtliches, an Ereignisse gebunden. Jesus spricht von Erlösung. Das ist viel mehr, als Menschen sich zusammendenken, zusammenrechnen oder auch nur ansatzweise vorstellen können. „Sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit“. Man wäre wirklich auf ewig arm dran, wenn man in diesem Moment nicht sein Haupt erhebt. Wenn man nicht aufsieht zu dem, der Erlösung, Hilfe, Rettung, der endlich das Reich Gottes für alle sichtbar bringt. Das ist das Bild, an dem sich Christen orientieren sollen. Das ist der Zielpunkt der Geschichte.
In der Passionszeit, in allen Lebenslagen und auch bezüglich aller noch kommenden Dinge sind wir gut beraten, der Aufforderung des Hebräerbriefes zu folgen:
„Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens“