‚Schönen guten Abend! Thema: Drogenkonsum‘ – Ein Bericht
Am 9.Februar hieß es in der Christuskirche wieder einmal ‚Schönen guten Abend‘. Das Thema des Abends war weniger ‚schön‘. 90 Minuten lang drehte sich alles um das Thema Drogenkonsum. Knapp 100 Gäste waren zu Besuch.
Die Nachbarschaft der Christuskirche war und ist mit dem Thema im Alltag vertraut. Der an die Kirche angrenzende Holstenplatz sowie der Bertha-von-Suttner-Park wurde in den vergangenen Jahren häufig von drogenkonsumierenden Menschen als Aufenthaltsort genutzt. Das führte auch zu Spannungen zwischen NachbarInnen und Drogenkonsumierenden. Seit 2021 gab es deswegen regelmäßig ‚Runde Tische‘ zum Thema, an denen NachbarInnen, VertreterInnen des Bezirksamts und der Stadtreinigung, LokalpolitikerInnen, SozialarbeiterInnen und viele andere Personen, die mit dem Thema zu tun haben, beteiligt waren.
Im Rahmen der ‚Runden Tische‘ war angeregt worden, das Thema auch aus Sicht Drogenkonsumierender zu beleuchten. Am 9.Februar wurde dies, Veranstalter war die Christuskirche gemeinsam mit der ‚Palette‘, auf vielfache Weise getan.
Eröffnet wurde der Abend durch eine halbstündige visuelle Reise mittels einer Graphic Novel von Luka Lenzin. Luka Lenzin zeichnet und macht Musik und hat neun Jahre lang im Drob Inn gearbeitet. Die Erfahrungen des Alltags in der Begleitung Drogenkonsumierender hat Luka Lenzin sowohl anhand persönlicher Lebensgeschichten als auch anhand eines geschichtlichen Exkurses in die Geschichte des Drogenkonsums- und der Drogenpolitik nachgezeichnet. Während die Zeichnungen großflächig an die Kirchenwand projiziert wurden, erfüllte Lukas Lenzins Stimme den Kirchenraum. Luka Lenzins Buch ‚Nadel und Folie‘ ist im Buchhandel erhältlich.
Im Anschluss an die Präsentation wurde Luka Lenzin noch kurz zu grundsätzlichen Überzeugungen zum Thema befragt.
Florian Pittner, Diplomierter Sozialpädagoge und staatlich anerkannter Suchttherapeut, saß als nächster Gesprächspartner auf dem ‚grünen Sofa‘, dem Markenzeichen von ‚Schönen guten Abend‘.
Carsten Hokema, Pastor der Christuskirche, befragte den rund um den Holstenbahnhof tätigen Sozialpädagogen nach seiner Motivation und nach Herausforderungen mit Drogenkonsumierenden zu arbeiten. Florian Pittner machte deutlich, dass es ihm, wie auch seiner Arbeitgeberin, grundsätzlich um einen akzeptierenden Drogenhilfeansatz geht. Er möchte drogenkonsumierenden Menschen, denen er begegnet, mit Respekt und Wertschätzung begegnen und dabei auch ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe würdigen. Er machte dabei auch deutlich, dass die Möglichkeit zur Hilfe für Drogenkonsumierende sehr stark von den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten abhängig ist.
Ein stabiles und starkes soziales Umfeld seien die besten Voraussetzungen für Drogenkonsumierende, um verändernde Schritte in ihrem Alltag tun zu können.
Sonja, Manja und Thomas nahmen als Nächste auf dem grünen Sofa Platz. Die drei Drogenkonsumierenden wurden nach ihrer Lebensgeschichte und ihrem Alltag befragt.
Zu hören gab es dabei ‚ganz normale Lebensgeschichten‘, die allerdings an einer oder mehreren Stellen Abzweigungen hatten, die zu jahre- oder jahrzehntelangem Drogenkonsum führten. Sonja, Manja und Thomas erzählten offen und persönlich, wie sie zu Drogenkonsumierenden geworden sind und warum sie dies auch noch jetzt sind.
Auch mehrfache Entzüge oder die Teilnahme an Substitutionsprogrammen führten nicht zu einem drogenfreien Leben.
Alle drei Befragten machten deutlich, dass ihr Alltag vor allem von der Frage nach der nächsten Möglichkeit zum Drogenkonsum beherrscht wird.
Als Sonja, Manja und Thomas aus den Begegnungen mit Nichtkonsumierenden erzählten und ihre Wünsche äußersten, wie man ihnen begegnen solle, musste mancher Gast in der Christuskirche sicher schlucken. „Ich wünsche mir“, sagte Sonja, „dass man als Mensch angesehen wird, nicht in die unterste Schublade gesteckt wird, nur weil wir Konsumenten sind. Die kennen uns nicht, die urteilen über uns, die wissen ja nicht, was dahintersteckt.“ Thomas wünschte sich, „dass die Politik mal endlich aufwacht und uns als Drogenkonsumenten sieht. Und dass Gelder freigestellt werden, dass man zum Beispiel auch in der Palette einen Konsumraum aufmacht.“
Zum Schluss wurde deutlich, dass sich die Befragten das wünschen, was wohl alle im Kirchenraum Anwesenden sich für ihr eigenes Leben wünschen: geschützte Räume.
Während Sonja, Manja und Thomas sprachen, hatte sich die Atmosphäre in der Christuskirche geändert. Sie hatte von ‚allgemein interessiert‘ zu ‚persönlich interessiert‘ gewechselt. Das zeigte sich auch an dem begeisterten Applaus, den die drei erhielten, als sie das Podium verließen.
Zum Abschluss des Abends wurde Hubertus Stahlberg, Mitbegründer des ‚Arztmobil Hamburg‘, Allgemein- und Suchtmediziner, nach hilfreichen Tipps im Umgang mit Drogenkonsumierenden gefragt. Er berichtete dabei auch aus seiner langjährigen Erfahrung als Suchtmediziner. Er sprach sich für öffentliche Konsumräume aus.
Von Drogenkonsumierenden erwarte er, da Drogensucht eine anerkannte Krankheit wie z.B. Diabetes sei, dass sie auch dazulernen, was den Umgang mit ihrer Krankheit angeht und dass sie auch ihr Verhalten danach richten. Das erwarte er von Diabetikern auch.
Einer seiner abschließenden Sätze lautete: „Wenn man auf einer Ebene mit den Leuten redet, dann kommt man super mit Drogenabhängigen aus.“
Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Helge Möller, Musiker aus St.Pauli. Mit seiner markanten Stimme und seinem Gitarrenspiel und mit der Auswahl der Lieder trug auch er dazu bei, dass der Abend als rundum gelungen wahrgenommen wurde.
In seiner Abmoderation meinte Carsten Hokema, dass dies sicher nicht der letzte Abend zum Thema Drogenkonsum gewesen sei.
Nach dem Abend wurden am Ausgang Spenden für die Palette gesammelt.
Im Anschluss an den Abend waren viele Besucherinnen und Besucher bei einem kleinen Imbiss und Getränken noch lange in den Räumen des Sprachcafés im Untergeschoss der Christuskirche beisammen.
Liebe NachbarInnen, Freunde und Mitglieder der Christuskirche!
Am Donnerstag, 9.Februar 2023, 19:00 Uhr, veranstaltet die Christuskirche in Zusammenarbeit mit ‚Palette gGmbH.‘ einen ‚Schönen guten Abend‘, rund um das Thema Drogenkonsum. In den vergangenen Jahren hat dieses Thema im Quartier Suttnerpark/Holstenplatz zu engagierten Diskussionen und zahlreichen Treffen geführt. U.a. wurde angeregt, das Thema auch von Seiten Betroffener zu beleuchten. Wir wollen Sie und Euch einladen zu einem informativen Abend, an dem auch Möglichkeit zum Gespräch sein wird.
Luka Lenzin wird zu Gast sein und mithilfe ihrer soeben erschienenen Graphic Novel in das Thema einführen.
Drogenkonsumierende, FachärztInnen und SozialarbeiterInnen werden ebenso zu Wort kommen wie die BesucherInnen des Abends.
Angetrieben vom Alltag als Hilfskraft in der Drogenberatung erzählt sie in ihrem illustrierten Buch ‚Nadel und Folie‘ persönlichen Geschichten von Menschen aus der Szene. Aus einer Vielzahl flüchtiger Begegnungen entsteht so ein dokufiktionaler Tag in einer Drogenanlaufstelle. ‚Nadel und Folie‘ beleuchtet den Umgang mit Drogen in Deutschland und in der Welt sowohl historisch als auch gesellschaftspolitisch.
Der Abend wird durch Musikbeiträge bereichert. Im Anschluss an die Veranstaltung stehen im Sprachcafé der Christuskirche ein kleiner Imbiss und Getränke zum weiteren Austausch bereit.
Wir freuen uns auf Sie und Euch! Mit Herzlichen Grüßen aus der Palette und aus der Christuskirche