11. Februar 2025 | 

Marcelo Abel – Transkulturelle Mission – Kommunikation

Marcelo Abel – Transkulturelle Mission

Die Kommunikation in der transkulturellen Mission
Wenn die Kommunikation an sich schon im monokulturellen Miteinander oft eine große Kunst ist, um wieviel größer ist die Herausforderung der Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen!

„Mißverstanden werden ist keine Kunst!“ (L.Feuerbach).

Zwei Menschen müssen sich schon bemühen, um sich gut zu verstehen – und wie viel mehr müssen dies zwei Kulturen mit verschiedenen Weltbildern. Die Missionare müssen die Botschaft des Evangeliums allen Völkern der Erde predigen. Dazu müssen sie zuerst einmal die Sprache der ethnolinguistischen Gruppe lernen. Auch wenn sie technisches Wissen haben und die Sprache perfekt können, sind sie noch nicht unbedingt gut im Kommunizieren. Man kann reden, ohne daß die Nachricht ankommt.

Die Botschaft ist schon gegeben, der Missionar braucht sie nicht erst noch zu erfinden oder zurechtzuschneidern. Wenn er sie aber transkulturell mitteilen will, gibt es noch mindestens drei wichtige Faktoren, die er beachten muß:

1. die kulturelle Wirklichkeit im Original des biblischen Textes,
2. die Wirklichkeit im kulturellen Kontext, in dem der Missionar aufgewachsen ist und
3. die kulturelle Wirklichkeit des Volkes, zu dem der Missionar kommt, also der Empfänger der Botschaft.

Wir haben den „Sender“, den „Kanal“ und den „Empfänger“. Die sozialen Kommunikatoren (Radio und Fernsehen) brauchen eine sehr gute theoretische und praktische Ausbildung. Wie viel mehr sollten sich diejenigen vorbereiten, die eine Botschaft von ewiger Bedeutung weiterzugeben haben!

Betrachten wir nun einige wichtige Aspekte der transkulturellen Kommunikation:

Die historisch-psychologischen Schranken
Einige Schranken in der Kommunikation sind sehr offensichtlich, wie z.B. die Sprache, die Bräuche, die Vorurteile, die Rassen, usw. Aber noch mehr Probleme bereiten die verborgenen Unterschiede, wie die Lebensphilosophie, das Denkmuster, die Werteskala, d.h. das Weltbild.

Um effektiv zu kommunizieren, braucht man Zeit, um den Empfänger kennenzulernen, sein Vertrauen zu gewinnen. Das Ziel jeglicher Identifikation, Inkulturation und Kontextualisierung des Missionars in die Kultur des Empfängers ist gerade das Mitteilen der ewigen Botschaft der Errettung und ein Zusammenleben mit Respekt und Liebe zum „anderen“.

Als ich als Missionar bei den Indianern im Norden Argentiniens arbeitete, wohnte ich oft für mehrere Tage im Indianerdorf, etwa 25 Kilometer von unserem Dorf entfernt. Ein alter Mann wollte eines Tages gerade in die Stadt gehen. Bevor er ging, sagte ich zu ihm: „Bruder Florentino, da Sie schon ins Dorf gehen, tun Sie mir doch bitte die gauchada (Gefälligkeit) und bringen mir meine Post mit, wenn da welche für mich ist.“ Er schaute mich direkt an und sagte ganz ernst: „Benutzen Sie nicht dieses schlechte Wort!“ „Welches schlechte Wort?“ fragte ich besorgt. „Die gauchos haben uns betrogen: Zuerst waren sie auf unserer Seite, aber dann haben sie uns verlassen und sind zum Militär gegangen,“ antwortete er mir.

Das Wort gauchada, das in meiner Kultur etwas Positives bedeutet, hat im Wortschatz der Toba eine andere Bedeutung. Die Toba haben den Krieg verloren und haben daher eine andere historische Wirklichkeit als wir.

Um die Botschaft von Jesus Christus in einer bestimmten ethnischen Volksgruppe effektiv weiterzugeben, muß der Kommunikator unbedingt etwas von der Geschichte der Gruppe oder von ihrer Gesellschaft wissen.

Jesus, der beste Kommunikator mit der wichtigsten Botschaft hat sich in die Kultur eingegliedert, sich angepaßt, und er wurde Fleisch in dem Volk. Aber nicht nur das: Er benutzte auch die Volkssprache, Aramäisch, statt des akademischen Griechisch oder der Sprache orthodoxer Juden.

Zum Landwirt sprach er vom „guten Sämann“ oder „vom Weizen und Unkraut“.
Zum Viehhüter sprach er vom „verlorenen Schaf‘ oder „vom guten Hirten“.
Den Stadtleuten erzählte er, daß sie „das Geld auf die Bank bringen sollten, wo man es nicht wegnehmen kann.“

Es ist von großer Bedeutung, die historischen Hintergründe des Volkes zu kennen. Als ich eine Gruppe Indianerführer zu Beginn meines Dienstes unterrichtete, ermahnte ich sie, gute „Christen“ zu sein. Ein Ältester unterbrach mich und sagte: „Wir sind keine Christen und wollen auch keine sein. Die Christen haben unser Land weggenommen, die Wälder und auch die Tiere, die wir aßen. Sie nahmen unsere Flüsse und Seen, aus denen wir immer unsere Fische nahmen. Sie töteten unsere Eltern und Großeltern. Sie nahmen unsere Frauen und Kinder. Wir wollen nicht wie sie sein; wir sind Gläubige an Jesus Christus!“

Diese historische Realität muß ein Missionar im Auge behalten, wenn er in die muslimischen Länder geht, die unter den Kreuzzügen gelitten haben, oder zu Völkern, die die Kolonialherrschaft ertragen mußten.

Nach vielen Jahren des Zusammenlebens mit Indianergruppen stellte ich fest, daß ein Argentinier, der bei den Indianern missionieren will, die gleichen Probleme hat wie ein Deutscher, der in Israel unter Juden arbeiten will.

Angesichts dieser Tatsache muß der Missionar sich bemühen, eine Plattform des Vertrauens zu schaffen, und das kann viele Jahre dauern. Es ist verständlich, daß die Indianer dem weißen Arzt mißtrauen, denn sie denken: „Wollen sie uns wirklich heilen, nachdem sie uns 400 Jahre lang verfolgt haben? Oder ist das heutige Schwert vielleicht die Spritze, und die heutige Kugel die Pille?“

Wenn der Missionar Vertrauen schaffen und ein guter Kommunikator der Liebesbotschaft werden will, muß er sich vorsichtig und respektvoll in die neue Kultur integrieren und sich nicht wie ein ,Elefant im Porzellanladen‘ benehmen. Er muß die Werte und Unwerte der neuen Kultur kennen, nicht nur in ihrem äußeren Verhalten, sondern auch in ihrer Weltanschauung.

Man kann durch seine Predigt die Feindschaft der Gruppe wecken und verstärken – nicht, weil die Zuhörer ,rebellische Heiden‘ sind, sondern weil wir ihre Kultur nicht genügend kennen und ihre Werte mit Füßen treten, weil sie mit der Heiligen Schrift nicht vereinbar sind.

Robert Park sagte: „Man kann Worte durch kulturelle Schranken transportieren wie Ziegelsteine, aber die Interpretation ist vom jeweiligen Kontext abhängig, den die verschiedenen Übersetzer dem Wort geben. Der Kontext ist viel mehr von den Erfahrungen der Vergangenheit und der jeweiligen Stimmung der Zuhörer abhängig als vom guten Willen des Redners … “

B. Moore vom Sommerkurs für Linguistik brachte dies in der Konferenz über Missionswerke und Bibelübersetzung (Quito, 1989) auf den Punkt:

„Es ist unmöglich, eine treffende Übersetzung (der Bibel) ohne die aktive Beteiligung eines Eingeborenen der Sprache zustande zu bringen … Es ist wichtig, die Eingeborenen zu befähigen, daß sie die Hauptrolle und Hauptverantwortung bei dem Übersetzungsprojekt haben.“

Wenn die Kultur die Art und Weise ist, wie ein Volk sich fühlt, dann ist die Sprache umso mehr eine ,Art zu fühlen‘ einer ethnischen Gruppe. Die Muttersprache ist die Sprache des Herzens. Deswegen wird auch nur ein Eingeborener effektiv mit Seinesgleichen kommunizieren können.

Jeder Kommunikator, der effektiv sein will, muß lernen, die überkulturellen Wahrheiten, d.h., die ,biblischen Prinzipien‘ von den relativen oder kulturellen Formen oder Wahrheiten, die dem Wandel der Zeit und des Ortes unterworfen sind, zu unterscheiden.

Zum Beispiel hat Jesus keine allgemeingültige Botschaft weitergegeben, als er einen Blinden mit Schlamm heilte, oder als er die Händler mit Peitschenhieben aus dem Tempel vertrieb. Jesus heilt und heiligt, aber die Art und Weise, wie dies geschieht, kann sich von Zeit zu Zeit und von Kultur zu Kultur unterscheiden. Paulus wollte nicht den Alkoholismus fördern, als er Timotheus dazu ermutigte, etwas Wein zu trinken.

Diese Art, mit einer Krankheit umzugehen, gibt nicht vor, ein ,biblisches Prinzip‘ zu sein.
Bei vielen unfruchtbaren und überflüssigen Diskussionen in den Gemeinden, die sogar zu Trennungen geführt haben, ging es hauptsächlich um jeweilige kulturelle Formen.
Es gibt Wahrheiten, die wir nicht aus Liebe zur Gemeinschaft verwässern dürfen. Jesus sprach sehr klar mit der Samariterin und zeigte ihr ihre Sünde – aber mit Liebe und Taktgefühl.

Er war sehr hart mit den heuchlerischen Pharisäern, weil sie die Wahrheit kannten und trotzdem nicht befolgten. Die Einzigartigkeit Jesu ist eine Wahrheit, die nicht an eine bestimmte Kultur gebunden ist; hier gibt es keinen Raum für religiösen Pluralismus. Wir glauben, daß wir in Jesus die Wahrheit haben und sind überzeugt von dem Segen, der in dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus für alle Völker, Gesellschaften und Ethnien liegt.

So wie Jesus der Kommunikator der Botschaft Gottes war, so war er auch selbst die Botschaft Gottes. Jesus kommunizierte das Evangelium, und er war es auch. Er ist der subjektive und der objektive Faktor der Offenbarung Gottes an die Welt. Auf dieselbe Art kann und darf sich der Botschafter nicht von der Botschaft, die er kommuniziert, trennen. Seine Taten sprechen lauter als seine Worte, besonders in Gruppen, die noch nichts von der Botschaft Gottes wissen. Wenn der Botschafter sich bemühen muß, seine kulturelle Kleidung abzulegen, um das pure Evangelium zu predigen, so kann er sich doch nicht von dem Inhalt, besonders von dem ethischen Gehalt des Evangeliums, trennen.

Zusammenfassung
Das Nachdenken über die transkulturelle Kommunikation ist relativ neu in vielen evangelikalen Kreisen. Es gibt Missionare, die hinausgehen, um mit Indianergruppen oder anderen ethnolinguistischen Gruppen zu arbeiten, ohne die entsprechende transkulturelle Vorbereitung zu haben.
Das bedeutet Zeitverlust, Verschwendung von Gaben, Gelegenheiten und sogar ein Hemmnis für die Ausbreitung des Reiches Gottes.

Die theologischen Institutionen Lateinamerikas müssen sich des Schadens bewußt sein, den sie dem Missionar und der ethnischen Gruppe damit zufügen. Ohne es zu wissen, begehen sie Kulturzerstörung. Auf diese Art und Weise werden auch das Geld, die Gaben und die Zeit schlecht verwaltet. Trotz des Arguments der Dringlichkeit, das Evangelium weiterzubringen, ist man oft langsamer, weil man die ,Axt nicht geschärft hat‘.

Rene Padilla drückt das so aus: „Zusammenfassend gibt es ohne eine Kontextualisierung des Evangeliums keine richtige Kommunikation des Wortes Gottes. Das Evangelium kann nur mit Referenz an die kulturellen Faktoren, die in der Kommunikation mitspielen, weitergegeben werden. Es geht nicht um eine wörtliche Übersetzung, sondern um eine Übertragung, die der Führung des Heiligen Geistes bedarf.“

Die Menschen der Welt bereiten sich vor, zeitliche, vergängliche, irdische und oft unwichtige Botschaften weiterzugeben. Wie viel mehr sollten wir uns vorbereiten, die wir die Botschafter des Königs sind, um die große Botschaft des Königs weiterzutragen, eine Botschaft von ewiger Bedeutung, das Evangelium des ewigen, kosmischen Reiches! Beten wir um Führung und Fülle des Geistes, damit unsere Kommunikation in aller Weisheit, mit Liebe und Macht des Heiligen Geistes geschehen kann.

Kapitel 4 des Buches von Marcelo G. Abel, Originaltitel: Mi Experiencia Transcultural, Übersetzung: Gudrun Janz und Michael Osiw:
Indianer unter dem Einfluß christlicher Mission, Erfahrungen eines Einheimischen, edition afem, mission scripts 19, ISBN 3-933372-65-8, 2. Aufl.2002

 

 

Kategorien: Transkulturelle Mission
Schlagwörter: Bilder und Kultur, Geschichte und Verständnis, Kommunikation, Kultur und Sprache, Muttersprache
Autor: Marcelo Abel
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