23. Juni 2020 | erlebt

Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 2

Hier geht es zum ersten Artikel!

Die Durchführung vor Ort
Die Streaming- Sonntage verliefen etwas anders als ‚normale‘ Sonntage.
Jonas Eisenmann kam sonntags meistens so gegen 8:30 und 9:00 zu den Austragungsorten der Gottesdienste. Dafür musste er per Bus und Bahn in die Grindelallee, nach Ottensen, Hamm oder Eimsbüttel fahren. Nur an den Sonntagen, an denen aus der Christuskirche gestreamt wurde, musste er sich nicht mit Koffer und Taschen voller Technik rumschleppen. Dann lag der Austragungsort ja nur 20 Meter Luftlinie von seiner Wohnung entfernt.

In aller Ruhe baute er, meistens gut versorgt mit einer Kanne Kaffee, die Technik auf. Um spätestens 9:45 Uhr waren dann die am Gottesdienst Beteiligten vor Ort. Sprech- und Kameraproben wurden durchgeführt und der Gottesdienst wurde noch einmal Schritt für Schritt durchgegangen. Das gemeinsame Gebet für den Gottesdienst fehlte bei aller Konzentration auf die Technik nie.

Kurz vor halb elf wurde es dann in den jeweiligen Gottesdiensträumen still. Man hörte den Trailer, vielleicht noch das per Computer eingeblendete Präludium und auf ein deutliches Handsignal von Jonas konnten dann die Gottesdienstteilnehmer mit einem Blick in die Kamera begrüßt werden.

Zu Beginn waren die Zeiten vor Ort in den Gemeinden schon etwas gewöhnungsbedürftig. Wir feierten Gottesdienst mit zwischen 3 und knapp 10 Leuten (als die Regeln gelockert wurden) und mussten uns bewusst machen, dass am anderen Ende des Kabels oder der kabellosen Übertragung auch Gottesdienstteilnehmer sitzen. Wie kommt man da ein Miteinander hin? Wie ist man verbunden? Ist das eigentlich ein ‚richtiger‘ Gottesdienst?

Nach und nach ließ die Anspannung, ob denn alles klappen würde, nach. Die Technik wussten wir bei Jonas immer in besten Händen. Auch die einmalige Vertretung von Jonas, der junge Samuel Rudnik aus der Gemeinde Eimsbüttel, lieferte am Pfingstsonntag nach detailreicher Einführung durch Jonas sein technisches Meisterstück ab.

Gottesdienste zu streamen ist und bleibt wohl etwas komisch, anders, auch seltsam. Mit Gottesdiensten verbinden wir eben das Miteinander, die Gemein(de)schaft vor Ort. Aber wenn es  nicht anders geht, dann macht man eben das Beste daraus …. Und das haben alle Beteiligten immer wieder versucht.

Was an den Bildschirmen und Handys bis auf wenige Ausnahmen wie aus einem Guss wirkte, war vor Ort eine Abwechslung aus eigenem Reden, Gestalten und Zuschauen. So wurde z.B. der Kinderteil, der in sorgfältiger und liebevoller Weise immer von Jana Fritzlar und Mirjam Fuchs vorbereitet wurde, eingespielt.
Anders als zuhause vor dem Bildschirm wartete man jedoch immer auf das exakte Ende, um für einen möglich unauffälligen Übergang zum nächsten Gottesdienstbeitrag zu sorgen. Die Lieder und Musikstücke waren meistens im Vorwege aufgenommen worden. Auch  sie wurden per Knopfdruck von Jonas jeweils passend und zeitgenau eingespielt.
Unser Techniker war immer von der ersten bis zur letzten Minute des Gottesdienstes beschäftigt und dabei hochkonzentriert. Er musste dafür sorgen, dass alles zusammenpasst!

Nach ein paar Wochen hatten wir dann auch gelernt, dass es ganz harmonisch sein kann, wenn die Blumendeko vom Tag der Aufnahme der Musikstücke (die meistens an einem Tag in der Woche vor dem Gottesdienst aufgenommen wurden und für sich alleingenommen schon einen eigenen, mehrere Stunden umfassenden Arbeitsaufwand bedeuteten ) mit der Blumendeko vom jeweiligen Sonntag zusammenpasst.

Die Rückmeldungen aus den Gemeinden waren in den ersten Wochen konstruktiv und Mut machend. Nach einigen Wochen hatten sich jedoch – wie wohl in anderen Situationen auch – die GottesdienstbesucherInnen an das neue Format gewöhnt und die Rückmeldungen wurden weniger.
An unseren Streams konnten wir ablesen, dass ungefähr 200 unterschiedliche Geräte angeschaltet waren. Wenn man davon ausgeht, dass vor manchem Bildschirm auch zwei oder drei Leute sitzen, kann man eine Gottesdienstbeteiligung von ca. 300 Personen annehmen. Manchmal gingen die Zahlen auch nach unten.
Die normalen TV-und Video-Sehgewohnheiten machen auch vor gestreamten Gottesdiensten nicht Halt. Und manche Gemeindemitglieder kamen mit den Streaming-Gottesdienste nicht nur technisch, sondern auch formal nicht zurecht.

Dass unsere Gottesdienste im Laufe der Zeit auch mit Gottesdiensten bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern verglichen oder ‚gewertet‘ wurden, kann man als Kompliment sehen. Oder eben auch als Ausdruck dafür, dass man sich als ‚Zuschauer‘ kaum vorstellen kann, was es bedeutet, einen Gottesdienst zu streamen.
Dass wir z.B. bereits nach wenigen Wochen mit zwei oder drei Kameras die Blickwinkel auf das Geschehen im Gottesdienstraum verändern konnten, ist nicht mal so eben nebenbei gemacht. Dass wir stärker als andere Gottesdienste, die gestreamt wurden, mit Einblendungen, Untertiteln, Liedtexten etc. arbeiteten, sorgte für einen enormen Arbeitsaufwand.

Alle, die sich an der inhaltlichen, musikalischen und technischen Durchführung der Gottesdienste beteiligt haben, waren jeden Sonntag neu dankbar für das gelungene, wenn auch nicht perfekte Miteinander. Die Freude, dass Gottesdienste trotz der aktuellen Situation doch möglich waren, durchzog die Wochen des gemeinsamen Arbeitens.

 

Ein kurzes Interview mit dem Mann an der Technik: Jonas E.

Jonas, was war und ich an Technik nötig, um zu streamen?

Jonas: Ist das eine ernstgemeinte Frage? Man braucht irgendwas, um ein Bild aufzunehmen. Eine Kamera. Und einen Computer. Und ein Mikrofon. Und irgendwas, eine Software, mit der man das Alles verbinden kann. Ja, Internet und das war’s eigentlich schon, denn es gibt die unterschiedlichsten Plattformen, über die man streamen kann. Oder eben ein eigener Server, so wie wir das gemacht haben.  Und eine Kaffeemaschine braucht man natürlich auch.

Was waren die Herausforderungen für dich?
Jonas:
Herausforderungen sind für mich Dinge, die man überwinden muss und da gab es für mich nichts bei den Streaming-Gottesdiensten. Ich hatte alles da (an technischem Material) und ich durfte einfach machen.

Wie hast du das Miteinander der Gemeinden erlebt?

Jonas: Ich mochte das und ich mags auch immer noch. Vor allem war für mich spannend, mal wieder in alle Gemeinden zu kommen und mal zu sehen, was da so ist, … auch die Unterschiede klar zu sehen . Und  es hat Spaß gemacht, die Leute kennenzulernen, und alle Gemeindeleiter und  wenn es sie  in den Gemeinden gibt, auch die Pastoren. Ich hatte auch  immer meinen Spaß. Ich habe manchmal bis zu sechs Stunden in den Gemeinden für den Aufbau gesessen. Manchmal auch bei kaltem Kaffee … .

Wo lief es technisch am besten?
Jonas: Das muss ich klar mit ‚Grindel‘ beantworten. Die haben das schönste Mischpult, ich musste am wenigsten Technik hinschleppen, … aber sie haben das langsamste Internet!  Es braucht Geduld ohne Ende, flexible Zeiteinteilung bis zum geht-nicht-mehr , wenig Schlaf, damit der Zuschauer zuhause einen guten Gottesdienst hat.
Damit nichts ruckelt ….., das ist die Herausforderung, dass alles reibungslos läuft. Und die ist jedes Mal die Gleiche, das so vorzubereiten, dass man es zuhause  genießen kann.

Wieviel Vorbereitungszeit  brauchst du  für einen Gottesdienst?
Jonas:
In echt?  Also, man würde für einen Gottesdienst brauchen, … also in vier Stunden könnte man durch sein, aber das ist unrealistisch. Mit Aufbau, mit Vorbereiten und Abbau bist du pro Gottesdienst bei 14- 18 Stunden. Und das ist auch noch eine gute Schätzung. Aber es macht Spaß, das ist jetzt nichts, wo man sagt, das ist nervig . Ich bin auch selber schuld, wenn ich denke ‚Ach hier noch eine Grafik‘ oder ‚das könnte ich hier noch so und so machen‘.

Gab es einen Gottesdienst, der dir besonders gefallen hat?
Jonas: Ich bekomme vom Gottesdienst meistens nicht so viel mit. Ich muss ihn mir dann danach anschauen. Ich meine, es war der zweite hier in Altona ….

Wenn man ab jetzt immer streamen würde, dann ….
Jonas: Braucht man längere Kabel, nein, ich schau ja jetzt schon, dass ich die Vorbereitung so mache, dass man auch dabeisitzen könnte, im Gottesdienst sein könnte.
Man bräuchte eine bessere Kamera, damit man die Kamera nicht immer im Bild hat. Und man müsste die Leute noch schulen, die dann vor der Kamera stehen und reden.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Im Laufe der Wochen kamen, da die Schutz- und Hygienevorschriften dies erlaubten, neue Mitarbeitende zum Team der Gottesdienstgestaltenden dazu.  Eine von ihnen war

Andrea-Bendicks-Leßmann.
Auch sie stellte sich vor die Kamera, um einen Gottesdienst mitzugestalten.
Über ihre Eindrücke berichtet sie hier:

„Ich habe viele Wochen allein vor meinem Laptop den Gottesdienst gesehen und hatte zunehmend Probleme, mich zu konzentrieren und nicht ablenken zu lassen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, an einem Gottesdienst mitwirken zu können und auch mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Ich habe es als Privileg empfunden, endlich wieder andere Christen zu treffen, mit ihnen mit beten und Abendmahl feiern zu können.

Die Atmosphäre zwischen den Mitwirkenden war erstaunlich locker und freundschaftlich. Da scheinen in den letzten Wochen der Zusammenarbeit gute Beziehungen gewachsen zu sein. Alle wirkten sehr engagiert und gleichzeitig war nur wenig Nervosität wegen der Kameras zu spüren – was sicher auch an Jonas lag, der seine Sache sehr ruhig und souverän gemacht hat. Da fiel es mir dann auch leichter, mich nicht von der ganzen Technik verunsichern zu lassen.“

Im dritten und letzten Artikel zu den Streaming-Gottesdiensten werden
die Gemeindeleiter der beteiligten Gemeinden zu Wort kommen.

Teil 1: Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 1
Teil 2 (dieser Artikel): Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 2
Teil 3: Gemeinsame Streaming-Gottesdienste beendet. Das meinen die GemeindeleiterInnen.