Radioandachten zum Nachlesen
In der Woche vom 13.-19.November 2023 kommen die Radioandachten bei Radio Bremen 2 aus der Feder von Carsten Hokema.
Hier kann man sie nachlesen. Zu hören sind sie auf der Seite von Radio Bremen
Montag, 13.November 2023
Gestern wurde ich so richtig getröstet. Im Gottesdienst. Ein Mitglied unserer Kirche hat ein selbstkomponiertes Lied vorgetragen. Der Titel: „Wenn nichts mehr geht!“
Manchmal geht es mir so, dass nichts mehr geht.
Gestern wurde mir zugesungen, dass Gott auch in solchen Situationen bei mir ist ….
Im Text heißt es unter anderem:
Wenn nichts mehr geht, dann bist Du da.Wenn nichts mehr passt und wieder mal Resignation, Verzweiflung, Scheitern
über mich Triumphe feiern, mich zerstampfen und zerbrechen, wenn einfach nichts mehr geht.
Wenn nichts mehr läuft, dann bist Du da, ich weiß nicht, – irgendwie da.
Ich kann zu Dir, Herr – zu Dir – kommen, ganz ohnmächtig, gelähmt, beklommen, brauche gar nicht viel zu reden. Du bist einfach da.
Gott ist einfach da. Ich kann auch nicht beschreiben, wie Gott da ist in meinem Leben. „Ich weiß nicht wie“, – irgendwie ist er da. Ich finde das klasse, dass mir das zugesungen wurde: Gott ist auch in Situationen da, in denen nichts mehr geht! Ich brauche auch gar nicht viel reden, auch nicht mit Gott. Den Glauben an Gott, der in meinem Alltag mit dabei ist, den kann ich mir selbst nicht irgendwie herbeireden, herbeibeten oder ‚machen‘ Weder durch viele Worte noch durch irgendwelches religiöses Verhalten.
Gott ist da. Die schweren Tage, die ich manchmal erleben muss, die belastenden Nachrichten aus den Kriesngebieten und die Sorge um unsere Welt, sie sind dadurch nicht einfach weg. Aber Gott ist da.
Das wird mir in der Kirche zugesprochen … oder wie gestern eben zugesungen.
Das Lied endet übrigens mit einer Aussage voller christlicher Hoffnung.
„Wird es wieder gut? Es wird wieder gut …“
Getröstet und mit Hoffnung gehe ich in die neue Woche.
Dienstag, 14.November 2023
‚Wo ist denn dein Gott?‘ Das werde ich manchmal gefragt. Aus meiner christlichen Grundüberzeugung mache ich meistens keinen Hehl. Und dann kommt nicht selten eben diese Frage: ‚Wo ist denn dein Gott?‘. Meistens stehe ich dann sprachlos da.
Eine Variante der Frage lautet: ‚Warum lässt Gott das zu?‘ Manchmal gibt es dann auch noch einen Schlenker in die Kirchengeschichte, was da alles an Schlimmen passiert ist.
Ganz aktuell bei allen furchtbaren Nachrichten, die ich tagtäglich so höre, stelle ich mir auch selbst die Frage: „Wo ist denn mein Gott?“
Ich habe wirklich bestes Verständnis für diejenigen, die das Thema Gott und aktuelle Nachrichten überhaupt nicht zueinander bekommen. Und dazu geschieht auch noch so viel Menschenverachtendes aus religiösen Gründen.
Wie kann das nur sein?
In der Bibel werden Fragen wie ‚Wie kann das nur sein?‘ oder ‚Wo ist denn mein Gott?‘ nicht ausgeklammert.
Sie werden glaskar und manchmal geradezu brutal formuliert.
In 42. Psalm zum Beispiel. Sogar wortwörtlich: „Die Menschen fragen mich ‚Wo ist denn dein Gott?‘“ Der Psalm stammt aus der Feder eines Menschen, der gottverlassen und verzweifelt ist. „Tränen sind mein einziges Brot am Tag und in der Nacht.“
Was genau diesem Menschen zusetzt, das wird nicht beschrieben.
Interessanterweise wird aber gesagt, wo sich diese Person gerade befindet. Das ist außergewöhnlich: Eine genaue Ortsangabe in den Psalmen. Das gibt es sonst nicht in den anderen 149 Psalmen der Bibel. „Ich bin verzweifelt und denke an dich, Gott, aus dem Land am Jordan und Hermon, am Berg Misar.“
Schaut man bei google maps nach, wo das ist, dann findet man das nördliche Israel und den südlichen Libanon. Dort im Grenzgebiet, wo heute Raketen von Süd nach Nord und von Nord nach Süd fliegen, genau dort im Grenzgebiet saß der Psalmist und schrieb:
„Tränen sind mein einziges Brot am Tag und in der Nacht.“
Dem Psalmschreiber rollen die Tränen über das Gesicht. Er hat keine Antworten.
Er ist sprachlos. In seinen Gedanken sucht er sich einen Ausweg. Er erinnert sich daran, dass es Zeiten gab, in der er Gott erlebt hat. Und er fordert sich selbst auf:
„Ich möchte festhalten an Gottes Zusage, dass er mich und diese Welt nicht aufgibt.
Ich bin sprachlos. Ich weiß nicht, wie lange.
Aber es wird wieder ein Tag kommen, an dem ich Gott ‚Danke‘ sage.“
Mittwoch, 15.November 2023
Es war beeindruckend. Atemberaubend. Besonders für mich, den norddeutschen Flachlandbewohner. Denn selten, ganz selten zieht es mich von meinen geliebten Nord- und Ostseeküsten weg. In den Herbstferien hatte es meine Frau mal wieder geschafft, mich in die Berge zu entführen. Südtirol. In der Nähe von Bozen.
Da stehe ich also irgendwo auf einer Alm. Bei Sonnenschein. Ein unglaublich beeindruckender Anblick. Weite Wiesen. Gewaltige Bergmassive. Ab und zu ein paar Kühe. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte mir beinahe einen röhrenden Hirsch vor dem Gebirgszug eingebildet. Südtiroler Postkartenoptik vom Feinsten.
Nein, es war wirklich schön.
Und beim Wandern habe ich immer wieder nach oben geschaut. Dass es überhaupt so hohe Berge gibt! Wo kommen die nur her? Wieso gibt es die bei uns zuhause nicht? Ich konnte nie lange mit dem Blick auf den Weg oder auf meine Füße laufen. Selbst wenn es holprig wurde, habe ich meinen Blick immer wieder nach oben auf die Berge, auf die Bergwipfel gerichtet.
Und irgendwann auf dem Weg zwischen Almhütte 1 und Pause Nummer 2 fiel mir dann der Satz aus der Bibel ein, der mir an einem norddeutschen Strand noch nie eingefallen ist. Er steht in Psalm 121.
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“
Wenn man zu riesigen Berge hochschaut, dann merkt man, wie klein man ist. Das eigene Leben erscheint mini, klein, vielleicht sogar unbedeutend. Der Schreiber des Psalms ist sich sicher: Diese Berge entspringen den Gedanken eines Schöpfergottes.
Ja, man kann wirklich ins Staunen kommen, wenn man die Natur so hautnah und beeindruckend erlebt. Die schöne Natur führt dann manchmal auch zu begeisterten Gottesgedanken: „Meine Hilfe kommt von Gott, der Himmel und Erde gemacht hat.“ schreibt der Psalmist. Und weiter formuliert er bei seiner Bergwanderung:
„Gott wird meinen Fuß nicht gleiten lassen.“
Zuhause zurück freue ich mich wieder an den herrlichen Stränden und an der Weite des Meeres. Und es gilt wohl auch für mich in der norddeutschen Tiefebene:
„Meine Hilfe kommt von Gott, der Himmel und Erde gemacht hat.“ und „Gott wird meinen Fuß nicht gleiten lassen.“
Donnerstag, 16.November 2023
„Versetz‘ dich doch mal in meine Lage!“ Dieser Satz ist ab und zu das letzte Mittel, zu dem meine Frau greift. Wenn wir mal eine etwas heftigere Auseinandersetzung haben.
Wenn ich mal wieder nicht verstehe, wie sie denkt und fühlt oder wie sie die Situation einschätzt. Wenn ich das dann tue, mich in ihre Lage versetze, dann verstehen wir uns fast immer besser.
Ich sollte mir das grundsätzlich ins Stammbuch schreiben. „Versetze dich mal in die Lage der Anderen!“. Eine regelmäßige Notiz in meinem Terminkalender wäre auch nicht schlecht. So für den Alltag.
Dann würde ich öfter mal daran erinnert werden, nicht nur meine Gedanken, Gefühle und Standpunkte zum Maß aller Dinge zu machen.
Heute steht in vielen und auch in meinem Kalender „Donnerstag, 16.November: Internationaler Tag der Toleranz“. Seit 1995 ist der 16.November ein Internationaler Gedenktag. Die 185 Mitgliedsstaaten der UNESCO stehen dahinter. Die UNESCO ist die Organisation der Vereinten Nationen, die sich um Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation kümmert. In allen Bereichen – und eben auch in der Kommunikation, in Gesprächen, ist Toleranz wichtig.
Toleranz ist mehr, als nur etwas zu dulden oder den oder die Andere einfach gelten oder stehen zu lassen. Tolerant bin ich, wenn ich aufgeschlossen bin für die Welt der Menschen, mit denen ich spreche.
Eigentlich ist das eine gute Übung für das christlich Doppelgebot der Liebe:
‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!‘: Ich höre erstmal zu. Beim Zuhören kann ich mich Schritt für Schritt in die Lage meines Gegenübers versetzen. Dabei entsteht Toleranz. Weil ich Stück für Stück, Gespräch für Gespräch lerne, mich in die Lage der Person zu versetzen, mit der ich mich austausche. Ich sehe die Welt dann auch mit anderen Augen. Mit den Augen meines Gegenübers.
‚Liebe deinen Nächsten und deine Nächste wie dich selbst.‘
Nächstenliebe hat etwas mit Zuhören zu tun. Mit Toleranz. Heute am Gedenktag.
Und morgen, auch wenn es nicht mehr im Terminkalender steht, auch noch …
Freitag, 17.November 2023
Heute werde ich meinen Gästen ein oder zwei schöne Kurzgeschichten vorlesen.
Das ist zumindest der Plan für den heutigen Abend.
Denn heute ist der ‚Bundesweite Vorlesetag‘.
Zu 20.Mal findet der Vorlesetag in unserem und in einigen Nachbarländern statt.
Das diesjährige Motto lautet „Vorlesen verbindet“!
In Familien und Schulen, in Kindergärten und Altenheimen und quer durch die Generationen und Kulturen wird heute vorgelesen. Es gibt deutschlandweit jede Menge interessante Veranstaltungen, bei denen Geschichten vorgelesen werden.
Und eben auch die kleinen, privaten Vorlesetreffen, bei denen sich Leute treffen und miteinander verbunden werden. ‚Vorlesen verbindet!‘
Während meines Studiums habe ich viel gelesen. Jedoch immer alleine. Dabei habe ich auch gelesen, dass die meisten Menschen zu biblischen Zeiten nicht lesen konnten. Und es gab keine Bücher. Und keine Bibeln. Die gab es nur in vielen kleinen Einzelteilen. Wenn man etwas, zum Beispiel über das Leben Jesu, erfahren wollte, dann musste man jemanden kennen, der lesen konnte. Und der oder die einem vorlas.
Ich stelle mir vor, wie die Leute sich damals unter freiem Himmel oder in kleinen Häusern getroffen haben. Und wie sie der Person, die lesen konnte und die auch einen kleinen Teil der Bibel in den Händen hatte, zuhörten. Wie sie zusammengerückt sind und dieser Person aufmerksam lauschten. Wer weiß, wann das das nächste Mal möglich sein würde, jemandem bei Vorlesen zuhören zu können.
Bestimmt sind die Leute auch innerlich zusammengerückt. Denn gemeinsames Vorlesen und Zuhören verbindet und schafft Nähe. Für Kinder ist es auch eine wichtigste Voraussetzung, um selbst gut lesen zu lernen. Und es macht Kinder neugierig darauf, die Welt zu entdecken. Auch Erwachsene werden durch Bücher neu neugierig und entdecken neue Welten.
Vor ein paar Wochen hat mir ein Mann freudestrahlend erzählt: „In den letzten Wochen habe ich die Bibel zum ersten Mal durchgelesen!“ Das hat mich überrascht. Denn die Bibel ist eigentlich eine ganze Bibliothek. 76 Bücher und Briefe sind darin enthalten.
Es ist etwas herausfordernd, in dieser Bibel-Bibliothek den roten Faden zu verfolgen.
Offensichtlich hat der Mann das geschafft. Er hat für sich eine neue Welt entdeckt.
Samstag, 18. November 2023
Ich gehe mit meiner Frau in einem Park spazieren. Und hinter uns braut sich langsam aber sicher etwas zusammen. Nein, nein, das Wetter ist herrlich sonnig, kein Wölkchen trübt den klaren Himmel.
Aber hinter uns laufen zwei Jugendliche. Wir hören sie immer lauter. Erst ist es nur ein leichtes unterdrücktes Glucksen. Dann hören wir ein leises Kichern, das sich zu einem anhaltenden Lachen entwickelt. Und dann ist kein Halten mehr. Die beiden Mädchen hinter uns bekommen einen Lachanfall.
Lachen die etwa über uns? Nein, der Himmel ist heute wirklich heiter und sie haben eben nur einen dieser manchmal einfach aus heiterem Himmel kommenden Lachanfälle. Sie sind nicht zu stoppen und auch nicht zu toppen. Und sie sind kaum zu bremsen.
Ich fange an zu grinsen. Zu lächeln. Zu lachen. Meine Frau auch. Und plötzlich sind wir und alles um uns herum heiter, fröhlich, leicht.
Bevor meine Frau und ich auch noch so einen richtigen Lachanfall bekommen, schlagen wir lieber einen anderen Weg ein.
Lange lächeln wir und freuen uns über die fröhlichen Jugendlichen.
Als ich selbst Jugendlicher war, hat mich ein Gemälde begeistert, auf dem ein lachender Jesus zu sehen war. Nein, es war kein mildes Lächeln, das die Gesichtszüge Jesu anders aussehen ließ als auf den meisten Bilder von Jesus. Häufig ist er ja verzückt und entrückt oder eben lehrend und leidend abgebildet. Der Jesus auf diesem Gemälde war am Lachen. Aus vollstem Herzen. Die beiden Mädchen aus dem Park hätten gut an seine Seite gepasst.
Hat Jesus denn wirklich auch gelacht? Ja, natürlich! Leider berichten uns die biblischen Autoren nicht davon. Wenn Jesus aber einer von uns war, ein Mensch, so wie wir – und das sagt die Bibel nun wirklich an vielen Stellen – dann hat er auch gelacht.
Denn Grinsen, Lächeln und Lachen gehören zum Menschsein.
Ich lächle noch heute, wenn ich an die Jugendlichen im Park denke.
Und ich freue mich und lächle, wenn ich an Jesus denke.
Ich glaube, dass Jesus Mensch und auch Gott ist.
Und eben darin ist er auch so menschlich, so ‚normal‘.
Für den heutigen Tag wünsche ich mir wieder lächelnde Menschen.
Gerne dürfen sie auch lachen.
Sonntag, 19.November 2023
Ich muss ihn jetzt mal ganz dringend umstellen. Den Klingelton meines Weckers.
Ich nutze mein Handy als Wecker. Seit ich das Handy vor ein paar Wochen bekommen habe, weckt mich um 6:00 Uhr der Klingelton ‚Merimba‘.
Und der geht mir seitdem eigentlich täglich auf die Nerven. ‚Da ding da dingda di ding.‘
Ich war bisher nur zu faul, in den Einstellungen des Weckers einen anderen Ton auszuwählen. Dabei weiß ich doch, dass es da so schöne Wecksignale wie ‚Gitarre‘, Grillenzirpen‘, ‚Seidenweich‘ oder ‚Sternschnuppe‘ gibt.
‚Trillern‘, ‚Alarm‘ oder ‚Hupe‘ kommen für mich nicht in Frage.
Das schönste wäre natürlich, wenn mir jemand morgens leise ins Ohr flüstern würde: ‚Guten Morgen! Es ist soweit. Du darfst wieder aufstehen.‘ ‚Mhhhhh, …. noch nicht!‘. ‚Dohoch, jehetzt. Aufstehn.‘
Eine Person in der Bibel hat ihr Wachwerden so beschrieben, als ob Gott höchstpersönlich den Weckdienst übernehmen würde. Zitat aus der Bibel:
„Jeden Morgen weckt mich Gott. Er weckt mir das Ohr, damit ich ihn höre.“
Ich gehe mal davon aus, dass der Prophet Jesaja, von dem diese Zeilen stammen, morgens keine übernatürlichen Erlebnisse hatte. Vermutlich wurde er, wie das zu seinen Zeiten so üblich war, langsam aber sicher durch den Sonnenaufgang wach.
Aber Jesaja wurde wach und war immer ‚hörbereit‘. Gottes Wirken entdeckte er in vielen alltäglichen Dingen. Er stellte für sich immer wieder fest: Gott handelt in dieser Welt.
Jesaja lieferte die Vorlage für ein Kirchenlied, das vor knapp 100 Jahren entstand. Die erste Zeile heisst ‚Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor.‘
Im weiteren Liedtext beschreibt der Komponist dann Folgendes: Schon wenn es morgens anfängt zu dämmern, heller zu werden, dann ist Gott da und spricht mir Mut für den neuen Tag zu. Bevor ich richtig wach bin, ist Gott schon hellwach für mich.
Meinen Wecker-Klingelton muss ich jetzt endlich mal so einstellen und abspeichern,
dass ich nicht immer genervt vom Gebimmele aufwache.
Dass Gott mir schon vor dem Weckerklingeln Mut für den Tag zuspricht,
das will ich für mich aber auch abspeichern.
Mai 2023
In der Woche vom 15.- 21.Mai 2023
kamen die Radioandachten bei Radio Bremen 2 aus der Feder von Carsten Hokema.
Hier kann man sie nachlesen. Zu hören sind sie auf der Seite von Radio Bremen 2 hier!
Montag, 15.Mai 2023
Herzlichen Glückwunsch, Euch Familien! Heute vor 30 Jahren wurde zum ersten Mal der ‚Internationale Tag der Familie‘ gefeiert. 1993 haben die Vereinten Nationen diesen Tag ins Leben gerufen. Jedes Jahr soll daran erinnert werden, wie wichtig Familien sind.
Für Gesellschaft und Staat, aber auch für jeden einzelnen Menschen.
In der Familie werden grundlegende Dinge fürs Leben gelernt: Gruppenverhalten, Feiern und Versöhnen, aufeinander achten, Verantwortung übernehmen und vieles mehr.
In der Familie wird man auch einfach beschenkt: Mit Liebe und Zuwendung, mit Vertrauen und ganz praktischer Hilfe fürs Leben.
Seit 1993 haben sich aber neben den klassischen Familienmodellen mit Vater, Mutter, Kind auch weitere Familienkonstellationen entwickelt. Das Leben ist vielfältiger und bunter geworden. Auch das Familienleben.
Ich denke heute an Menschen, die keine Familie haben. Vielleicht hatten sie einmal eine. Die Familienangehörigen sind vielleicht weggezogen oder verstorben.
Oder Streit hat die Familie auseinandergerissen. Manchmal kommt es in Familien ja auch zu schlimmen Konflikten. Man hat dann jahre- oder jahrzehntelang keinen Kontakt zueinander und geht sich aus dem Weg.
Die Familie, in der Jesus von Nazareth groß wurde, die stand auch einmal ganz knapp vor dem Auseinanderbrechen. Jesus war älter geworden und bereits ein bekannter Lehrer. Eine Volksmenge umringt ihn und hört ihm gebannt zu. Seine Familie kommt dazu und möchte ihn sprechen. „Sagt Jesus mal, dass seine Mutter und Brüder da sind. Wir möchten mit ihm sprechen.“ Die Antwort Jesu muss für die Familie wie eine Ohrfeige gewesen sein: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“
Starker Tobak für Mutter und Brüder vor der Tür! Aber glücklicherweise ist die Familie von Jesus nicht eingeschnappt gewesen. Jedenfalls nicht lange.
In der Bibel wird berichtet, dass sie weiter Kontakt zu Jesus hatten.
Jesus hat mit seinen Worten deutlich gemacht, dass es neben der Herkunftsfamilie noch eine andere Familie gibt. ‚Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst‘.
Wo Menschen im Alltag Liebe leben, da entsteht eine bunte und vielfältige Familie. Jesus öffnet den Kreis seiner Familie. Er nimmt alle Menschen mit hinein in die große Familie Gottes. Die Liebe macht es möglich.
Dienstag, 16.Mai 2023
Für mich ist das fast ein kleines Wunder. In dem Stadtteil, in dem ich in Hamburg lebe, hat sich echt was verändert.
Vor knapp drei Jahren gab es hier sehr viele Probleme im Miteinander. Es wurde mit Drogen gedealt. Die Stimmung in der Nachbarschaft war angespannt. Eltern hatten Sorge um ihre Kinder, die auf dem Spielplatz Utensilien für Drogenkonsum fanden. Manche Menschen aus der Nachbarschaft reagierten scharf und wütend auf die Situation.
Mitten im Stadtteil steht unsere Kirche. Sie öffnete ihre Türen.
In einem langen Prozess kam es zu fast einem Dutzend ‚Runder Tische‘. Die Nachbarschaft traf sich mit Mitarbeitenden der Stadt, der Politik, von Sozialeinrichtungen und der Polizei.
Die Gespräche waren oft mühsam und es brauchte Geduld und jede Menge Verständnis füreinander. Allen war klar, dass es nicht einfach darum gehen kann, Menschen aus dem Stadtteil zu verdrängen. Man muss einen Umgang mit der Situation und Hilfen finden, die für alle Beteiligten gut sind.
Besonders beeindruckend war für mich eine Veranstaltung Ende vergangenen Jahres in der Kirche. Die Sozialarbeiter hatten drei Drogenkonsumierende eingeladen. Sie berichteten offen aus ihrem Leben. Und sie stellten sich den Fragen der Anwesenden.
Viele der knapp 100 Gäste hörten, was es bedeutet, drogenabhängig zu sein.
Die Antwort auf die Abschlussfrage des Abends wirkt bis heute in mir nach. „Was wünscht ihr euch für das Miteinander im Stadtteil?“ Die Antwort: „Dass ihr uns behandelt wie normale Menschen!“
Es schloss sich eine angeregte und auch bewegende Diskussion an.
In unserem Stadtteil gibt es auch weiterhin noch Herausforderungen. Der lange Weg hat sich aber wirklich gelohnt. Einmal in der Woche veranstaltet unsere Kirchengemeinde abends ein Nachbarschaftstreffen unter freiem Himmel.
Letzte Woche waren die drei, die vor ein paar Monaten in der Kirche aus ihrem Leben berichtet haben, auch wieder dabei. Und Leute aus der Nachbarschaft sind auf sie zugegangen. Sie haben wieder miteinander gesprochen.
Nein, es sind noch längst nicht alle Probleme gelöst, und es gibt noch manches zu tun.
Aber in der Nachbarschaft sind wir miteinander ins Gespräch gekommen.
Und wir begegnen uns von Mensch zu Mensch.
Ja, es hat sich wirklich etwas verändert. Fast ein Wunder.
Mittwoch, 17.Mai 2023
Ich bin im Leben mittendrin. Ich habe Kontakt mit vielen Leuten. Dienstlich und auch privat ist mein Terminkalender ganz gut gefüllt. Nach einem Arbeitstag, an dem ich meistens Leute treffe, mit denen ich ganz gut klarkomme, kann ich mich abends auch noch mit Leuten treffen, die ich besonders mag und die mich auch mögen.
Es gibt aber auch Menschen, die sind ‚außen vor‘. Sie gehören nicht so richtig dazu. Weder im Berufs- noch im Privatleben. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Manchmal gehören sie einfach nicht dazu, weil sie anders sind als andere. Sie entsprechen nicht der ‚Norm‘, die die Mehrheit ‚normal‘ findet. Ihnen gegenüber gibt es Vorbehalte, Berührungsängste und manchmal sogar Anfeindungen.
Von einem Mann, der ‚außen vor‘ ist, berichtet die Bibel. Dienstlich hat er zwar jede Menge Termine, er hat es auch zu etwas gebracht, aber privat tut sich da kaum etwas.
Sein Beruf ist wenig anerkannt. Vielleicht muss er auch Spott ertragen, nur weil er auch noch anders aussieht als andere Männer. Er ist auffallend klein. Er ist eben nicht das, was man sich unter einem Mann so vorstellt.
Es wird erzählt, dass dieser Mann einmal Jesus sehen wollte. Klein, wie er war, wäre er aber in den Menschenmenge, die Jesus immer umgab, untergegangen. Er wäre – wortwörtlich – von allen übersehen worden und hätte selbst nichts gesehen.
Was macht er? Er klettert auf einen Baum, um Jesus zu sehen. Er sitzt also im Baum und sieht Jesus und die Menschenmenge auf sich zukommen. Keiner sieht ihn. Sowieso nicht und auch nicht, weil er zwischen den Zweigen nicht zu sehen ist.
„Als Jesus an die Stelle kam, sah er hoch und sagte: ‚Steig schnell runter, ich will heute unbedingt dein Gast sein!‘“
Mit dem, was Jesus gesagt und getan hat, hat er gezeigt, wie das Leben gelingen kann. Jesus hat vorgemacht, wie man Leute mit hineinnehmen kann in die Gemeinschaft und in Freundschaften. Er hat den einzelnen Menschen gesehen. Er hat hingeschaut. Er hat sich auf eine Begegnung eingelassen.
Für viele Menschen wird es Zeit, dass wir ihnen offen und ohne Ablehnung begegnen.
Dass wir hinschauen und sie anschauen. Und ihnen begegnen.
Nicht nur, aber gerade auch heute am Internationalen Tag gegen Homophobie.
Donnerstag, 18.Mai 2023
‚Multiplanetar‘ soll die Menschheit werden. Das heißt, Menschen sollen auf mehreren Planeten leben können. Mit der Besiedelung des Planeten Mars soll es losgehen. Das war und ist die Idee hinter der Firma SpaceX, die Elon Musk vor mehr als 20 Jahren gegründet hat. Im vergangenen Monat konnte man wieder einmal einen Raketenstart miterleben. So richtig erfolgreich war das nicht. Aber immerhin, so war zu hören, doch sehr wichtig für die weitere Entwicklung der menschengemachten Flugkörper für den Himmel.
Heute ist ‚Himmelfahrtstag‘. Lange bevor ‚Vatertag‘ gefeiert wurde, gab es den Himmelfahrtstag. Seine Bezeichnung hat er von der Himmelfahrt Jesu.
Wie ist Jesus eigentlich nach Tod und Auferstehung, nach Karfreitag und Ostern, zu Gott in den Himmel gekommen? Mit SpaceX hatte das ganz bestimmt nichts zu tun …
In der Bibel gibt es vier Berichte unterschiedlicher Autoren über das Leben Jesu.
Zwei Autoren berichten auch von der Himmelfahrt Jesu. Sie tun das mit ganz unspektakulären Worten. „Nachdem Jesus noch einmal geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes.“
Heute habe ich, wenn es um Fragen der Raumfahrt geht, 1000 Fragen an die Wissenschaft. Wird es klappen? Wie? Wo? Wann?
Bei der Himmelfahrt Jesu geht es den Berichterstattern nicht um wissenschaftliche Fragen. Sie haben ein anderes Interesse. Himmelfahrt, das heißt für sie einfach:
Jesus hatte sozusagen einen ‚himmlischen Vatertag‘. Er ist wieder bei seinem himmlischen Vater. Gott und Jesus gehören einfach zusammen! Wie Vater und Sohn eben zusammengehören!
Es geht in den biblischen Berichten also nicht um Planeten und auch nicht um Raumfahrt. Es soll auch nicht gesagt werden, dass Gott und Jesus jetzt irgendwo gemeinsam auf einem Planeten sitzen und sich das Treiben auf der Welt unbeteiligt aus der Ferne anschauen. ‚Himmel‘, das steht eben nicht für einen bestimmten Ort. Gesagt werden soll: Gemeinsam mit seinem Vater hat Jesus jetzt den Überblick über alle Menschen.
Und Gott meint es nach wie vor sehr gut mit allen Menschen.
Kurz vor der Himmelfahrt hat Jesus seinen Leuten noch gesagt:
„Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!“
Jesus ist also auch noch auf unserem Planeten.
Wir können Jesus zwar nicht mehr sehen. Aber er sieht uns.
Und er meint es gut mit uns. Mit uns und unserem Planeten.
Freitag, 19. Mai 2023
Ich traute meinen Augen nicht. Letzten Samstag habe ich mal wieder einen Spaziergang in Hamburg gemacht. Diesmal wollte ich allerdings mal nicht die aufblühende Natur in einer der vielen Parkanlagen genießen.
Aus lauter Neugier wollte ich mal schauen, wie weit die Abrissarbeiten eines riesigen Industriegeländes mitten bei uns in Altona fortgeschritten sind. In den nächsten Jahren sollen hier 1200 neue Wohnungen entstehen. Nachdem ich die riesige Stein- und Abrisshalde halb umkreist hatte, schaute ich Richtung Fernsehturm und riss die Augen auf. Da war – perspektivisch direkt vor dem Fernsehturm, nur viel kleiner – ein anderer Turm zu sehen. Jahrzehntelang konnte man den Kirchturm unserer Christuskirche, die direkt am S-Bahnhof Holstenstraße liegt, wegen der hohen Industriegebäude nicht sehen.
Jetzt bot sich mir ein ganz neuer Anblick: Vor mir die Geröllhalden und dahinter der Kirchturm samt Hamburger Fernsehturm.
Und das Ganze ganz ohne Regen vor strahlend blauem Hamburger Himmel.
Ich musste lächeln. Und ich habe mich gefreut. So ist das wohl manchmal mit der Kirche: Sie ist nicht zu sehen und doch ist sie da. Die Christuskirche war die ganzen vergangenen Jahrzehnte an derselben Stelle. Sie war nur nicht zu sehen.
Veränderungen, Standort- und Perspektivwechsel sorgen für einen neuen Blick.
Jesus hat einmal gesagt, dass Gottes Reich ‚schon ganz nah herbeigekommen ist‘. Man könne aber nicht sagen ‚Schau her, hier ist es oder da!‘ Es gibt also keine sichtbaren Beweise, dass Gott auf dieser Welt wirkt und etwas bewegt, tut, voranbringt. Und doch ist er da, denn Jesus hat auch gesagt: ‚Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch.‘ Jesus wollte sagen: ‚Gott ist am Wirken in euch Menschen.
Vielleicht ist es nicht offensichtlich für euch, aber Gott ist dennoch da.‘
In den nächsten Jahren werden Baukräne und dann auch wieder neue hohe Häuser in unserem Stadtteil stehen.
Die Spitze des Fernsehturms wird man dann wohl noch immer sehen können.
Den Kirchturm nicht mehr.
Die Christinnen und Christen, die daran glauben, dass Gottes Spuren im Stadtteil und in den Menschen zu entdecken sind, die werden ihre Augen weiter offen halten.
Samstag, 20. Mai 2023
Morgen ist Sonntag. Manche Leute gehen dann in die Kirche.
Ich werde das auch wieder machen.
Morgen ist Sonntag. Manche Leute würden statt in die Kirche zu gehen, der Kirche erstmal am liebsten aufs Dach steigen. Auch dieses Bedürfnis kenne ich.
Letzte Woche habe ich von Leuten gehört, die beides tun. Sie gehen in die Kirche und sie steigen der Kirche aufs Dach. In dem kleinen Dorf Kleinwudicke in Brandenburg gibt es keine Kirchenmitglieder mehr. Aber andere Christinnen und Christen sind sie der Kirche in Kleinwudicke aufs Dach gestiegen. Buchstäblich! Mit Leitern und Sicherungsseilen.
Und dann haben sie die Kirche abgerissen. Na ja, nicht ganz.
Sie haben die Kirche abgetragen. Sie haben die kleine Kirche ‚dekonstruiert‘. Zurückgebaut. Dachziegel um Dachziegel, Stein um Stein und Balken um Balken.
Als sie die Kirche auseinandergenommen hatten, haben sie die zigtausend Einzelteile auf Anhänger geladen. Mit Treckern und LKWs haben sie die Kirche in das etwas größere Nachbardorf gebracht. Nach Jerchel in Brandenburg. Dort gibt es immerhin noch 23 Kirchenmitglieder. Nur haben die seit gut 40 Jahren keine Kirche mehr.
In den 80iger Jahren wurde die baufällige Kirche in Jerchel nämlich wirklich abgerissen. Die DDR-Regierung hatte wenig Interesse daran für einen Neubau zu sorgen.
Seitdem lag mitten in Jerchel ein Grundstück brach.
Bis die Trecker mit den Anhängern kamen.
Und jetzt nach ein paar Jahren Arbeitszeit steht in Jerchel wieder eine Kirche.
Und das ganz ohne Kirchensteuergelder. Viele Ehrenamtliche haben tatkräftig angepackt. Auch viele Kooperationspartner haben sich mit engagiert.
Das Beste daran finde ich aber, dass die Kirchenmitglieder nicht nur an sich gedacht haben. Sie wollen nicht einfach wieder eine Kirche für die wenigen Kirchenmitglieder haben.
Jerchel liegt an der Havel. Mehrere wunderschöne Radwanderwege kreuzen sich im Dorf.
In Jerchel steht jetzt die erste ‚Fahrradkirche‘. Leute, die mit dem Fahrrad unterwegs sind, werden eingeladen, Halt zu machen, anzuhalten und innezuhalten.
Sie sollen mitten in ihrer Freizeit die Möglichkeit haben, die gute Nachricht von Jesus Christus zu hören – oder einfach einen schönen Ort haben, um auszuruhen.
Wenn Leute der Kirche aufs Dach steigen, dann kann daraus wirklich gutes Neues werden.
Morgen gehe ich wieder in die Kirche. Und ich werde auch an die Leute in Jerchel denken.