Aus der Nachbarschaft – Die Baptistengemeinde in der Suttnerstraße.
Richtig taufen.
Eine der ältesten Baptistengemeinden Hamburgs ist schon seit dem Bau der Christuskirche im Jahr 1915 nahe dem Bahnhof Holstenstraße zuhause. Der Gang zum Bäcker hat mich schon oft hier vorbeigeführt. An diesem Sonntag verzichte ich auf die Brötchen und komme zu Besuch. Ich bin mit Harald Frey verabredet, einem symphatischen Ruheständler, der seit vielen Jahren ehrenamtlich die Geschicke der Gemeinde leitet.
Von den freiwilligen Beiträgen der etwas über 300 Mitglieder werden die beiden Pastoren Karin Blankenburg und Manfred Kasemann bezahlt, einen Hausmeister gibt es und eine Diakonin, außerdem muss das Gebäude unterhalten werden. Das klingt nach großem Engagement und einem hohen Maß an Identifikation, und tatsächlich gilt der biblische „Zehnte“ als Richtschnur für den eigenen finanziellen Beitrag.
In der hellen Kirche haben sich an die 70 Menschenversammelt. Viele Rentner sind gekommen (wie ich später erfahre, wohnen viele von ihnen im Hamburger Stadtrandgebiet), einige Eltern und nur eine Hand voll Kinder. Das überrascht mich, wird doch gerade für die Kinder ein anspruchsvolles Programm geboten: Zur Aufführung kommt ein Puppentheater in konzeptioneller Anlehnung an die Sesamstraße. Darin geht es ums „Mistgebauthaben und sich dann wieder vergeben können“, aber ein unangenehm aufragender moralischer Zeigefinger ist nicht in Sicht.
Insgesamt (in den Abkündigungen zum Beispiel wird den Geburtstagskindern der letzten Woche gratuliert) entsteht das Bild einer zwar familiären, aber eben nicht miefigen Gemeinschaft. „Der fehlende Nachwuchs macht uns ein bisschen Sorgen“, sagt Herr Frey mir nach dem Gottesdienst, und es ist ihm anzumerken, dass ihn das betrübt. Seine eigenen vier Kinder sind in der Gemeinde groß geworden, ein Sohn und eine Tochter sind inzwischen selbst Pastoren.
Mit selbstironischem Ton erzählt Harald Frey dann von der Rockerevangelisation in den späten 60er Jahren, anfänglich ein Erfolg, denn es habe einige Taufen gegeben. Aber: Nach der Taufe sind viele der bekehrten Rocker zu ihm gekommen, um sich darüber zu beklagen, dass sich ihr Leben ja überhaupt nicht verändert habe.„Da hat es in den Vorgesprächen zur Taufe wohl etwas an Sorgfalt gefehlt“, räumt er ein und grinst dabei. Immerhin ist aus dieser Bewegung dann später das Jesuscenter auf dem Schulterblatt entstanden.
Inzwischen – der Gottesdienst ist vorbei, die Kulissenabgebaut – haben sich auch die Pastorin und der Pastor dazugesellt. Sie erklären mir, warum es keinen Altar gibt und kein Kreuz über der Kanzel: „Wir glauben, dass Christus ausschließlich in der Gemeinschaft zu finden ist. Deswegen wollen wir den Blick nicht aus der Gemeinschaft weglenken“, erklärt Pastor Kasemann.
Wichtig ist dagegen das sogenannte Baptisterium gleich unter der Kanzel: ein begehbares Taufbecken. Heute ist es trocken, aber wenn getauft wird, reicht einem das Wasser bis an die Brust. Die Täuflinge tragen ein weißes Taufkleid und steigen über einige Stufen in das Becken hinein. Der Pastor oder die Pastorin stützen den Täufling mit einer Hand im Rücken, der Täufling lässt sich nach hinten ins Wasser fallen – ein Moment, der sehr intensiv erlebt wird.
Und so stehen wir im trockenen Taufbecken und plaudern über die Dinge, die einen als Pastor so interessieren. Dass unser Kirchenkreis im Juni ein großes Tauffestveranstaltet mit etwas über 300 Täuflingen, lässt die Kollegen nervös mit den Füßen scharren. Doch Harald Frey bleibt gelassen: „Wir müssen uns mal wieder treffen. Aber dann gehen wir vielleicht irgendwo hin, wo man ein Bier trinken kann.“ Sehr gerne, ihr Lieben!
Nils Kiesbye in Gemeindejournal Altona Ost Frühjahr 2011 Nr. 10 ( Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Altona-Ost )