10. August 2020 | erlebt

Gemeinsame Streaming-Gottesdienste beendet. Das meinen die GemeindeleiterInnen.

Hinter den Kulissen des Streaming-Gottesdienstes, Teil III

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Im letzten Artikel dieser Reihe kommen fünf GemeindeleiterInnen zu Wort. Wie haben sie die Streaming-Gottesdienste erlebt, was klingt bei ihnen nach?

Regina Hoffmeister aus der EFG Eimsbüttel schreibt:
„Es kann sein, dass wir uns das letzte Mal für eine Weile sehen werden…“
Es war bitter, diesen Satz am 15. März vor den Gottesdienstbesuchern auszusprechen und zu erleben, dass nur ein paar Stunden später das Versammlungsverbot ausgesprochen wurde. Was tun? Im Vordergrund standen Aktionen an, um die Älteren und die Randgruppen im Blick zu behalten, damit diese weiterhin in Kontakt bleiben. Es formierten sich virtuelle Gebetsgruppen und Kirchencafés. Aber kein Gottesdienst mehr? Weder verfügte unsere Gemeinde über das Equipment noch über das Knowhow, einen Gottesdienst – in welcher Form auch immer – über das Internet zu übertragen.

Dank der guten und engen Zusammenarbeit mit den Innenstadtgemeinden war nach einem Gespräch mit Stefan Hoyer schnell klar: Wir werden uns den anderen Gemeinden bei der Durchführung von Streaming Gottesdiensten anschließen. Es kam der Zusammenarbeit zugute, dass wir uns schon sehr gut kannten und somit über einen Vertrauensvorschuss verfügten, welcher uns das Miteinander erleichterte.

Die Vorbereitung über die Videokonferenzen waren anfangs gewöhnungsbedürftig, weil wir bisher unsere persönlichen Kontakte sehr schätzten. Da nun 5 Gemeinden beteiligt waren, war der Aufwand für den Gottesdienst größer: Z.B. Haben sich unsere Musiker bisher ein paar Minuten vor dem Gottesdienst getroffen um, das Feintuning zu klären. Nun musste ein separater Termin organisiert werden, um Ton und Video aufzunehmen.

Großen Respekt habe ich vor dem technischen Aufwand, den Jonas Eisenmann betrieben hat. Was mir Anfangs zu übertrieben erschien, war im Ergebnis mehr als überzeugend: Durch seine Kameraführung konnte der eigene Blick auf Details gerichtet werden, die man selbst übersehen hätte. Darüber hinaus stand er hilfsbereit zur Seite, wenn die eigenen technischen Kapazitäten an ihre Grenzen kamen. Hier ein ganz herzliches Dankeschön.                                                                                                                                                                                  Bei der Gestaltung der Gottesdienste wurde viel Neues und Kreatives ausprobiert. Als sehr bereichernd empfand ich die Kinderbeiträge von Jana Fritzlar und Mirijam Fuchs.  Meine eigene Offenbarung war die Durchführung des Karfreitagsgottesdienstes. Eine ganz andere Form an das – für mich recht schmerzliche -Thema heranzugehen.
Ich habe die Zusammenarbeit in dem Team als eine sehr große Bereicherung in der recht unüberschaubaren Corona- Problematik empfunden und bin dankbar für den Zusammenhalt, für das Miteinander, das Mut machen und das gemeinsam tragen. Wir sind zusammen einen Weg gegangen, der uns über vieles hinauswachsen ließ.

Die Gemeindeleiter Jürgen Schütte (EFG Hamburg/ Oncken-Gemeinde) und Mauricio de Silva Carvalho (EFG Ottensen) antworten auf folgende Fragen:

Was war bisher für dich das schönste Erlebnis rund um die Streaming-Gottesdienste?

Jürgen Schütte/ Oncken-Gemeinde:
„Das (eine) schönste Erlebnis“ klingt sehr absolut. Ohne die vielen anderen schönen Erlebnisse abzuwerten: Spontan bleibt mir in besonderer Erinnerung die Interaktivität im Pfingstgottesdienst, als der Pastor seine Handynr. einblenden ließ und während des späteren Gottesdienstes eine Reihe von Zuhörer-Beiträgen einarbeitete. Da war für mich eine richtig wohltuende pfingstliche Lebendigkeit über die Kirchenmauern hinaus, die dann ja auch später Schule gemacht hat.

Mauricio de Silva Carvalho/ EFG Ottensen:
Zu sehen, dass die Beziehungen, die nun seit vier Jahren regelmäßig (beim Essen und Trinken, Lachen und gemeinsames „Träumen über die Zukunft“, beim Beten und Diskutieren gepflegt wurden, so tragfähig geworden sind, dass das gemeinsame Streamen so gut wie selbstverständlich war.

… und womit hattest du so deine Mühe?

Jürgen Schütte/ Oncken-Gemeinde:
Als mühevoll habe ich teilweise die Video-Besprechungen erlebt. Wir waren Vertreter aus unterschiedlichen Gemeinden, die anfangs noch keine eingespielte Gruppe waren und sich erst zusammenraufen mussten. Das hat so manchen Reibungsverlust mit sich gebracht.

Mauricio de Silva Carvalho/ EFG Ottensen:
Die Entfremdung die durch die Zoom-Meetings entstanden ist. Schwierig fand ich auch der stets stärker werdende Trieb zur Professionalität und Effizienz, die leider zu sehr in den Vordergrund trat. Die Gemeinden wären auch mit weniger zufrieden.

 

Wenn wir noch einmal von ganz vorne anfangen würden, worauf würdest du noch besser achten?

Jürgen Schütte/ Oncken-Gemeinde:
Ich habe sowohl die Rolle des Mitwirkenden als auch die Rolle des Zuschauers erlebt. Dabei habe ich erfahren, dass das Erleben vor Ort ein ganz anderes ist als vor dem Bildschirm. Das würde ich bei einem Neuanfang bei der ganzen Planung von der Technik über den Einsatz der Mitwirkenden bis zur Länge der einzelnen Gottesdienstelemente besser berücksichtigen.

Mauricio de Silva Carvalho/ EFG Ottensen:

Nicht zulassen, dass der Druck der Professionalität die Oberhand gewinnt.

Was wird für dich vom Erlebten bleiben?

Jürgen Schütte/ Oncken-Gemeinde:
a) Dass digital nicht so schlimm ist, wie ich vorher gedacht hatte und b) dass es auch in den anderen Gemeinden wunderbare und liebenswerte Menschen gibt:-)!
Mauricio de Silva Carvalho/ EFG Ottensen:
Die Tatsache, dass wir es zusammen geschafft haben und gemeinsam für alle Gemeinden da waren. Ich habe gute Predigten gehört und von den Gottesdienste viel mitgenommen.

Was möchtest du noch sagen ….

Jürgen Schütte/ Oncken-Gemeinde: Eine Erfahrung, die wir hoffentlich auch in die Zeit danach mitnehmen können, wobei das Wie für mich noch offen ist. Aber das zu erproben könnte ja als nächste Stufe gezündet werden…..

Mauricio de Silva Carvalho/ EFG Ottensen:
Wir alle leiden unter den neuen Umständen. Corona-Zeit ist eine schwierige Zeit für uns alle. Wir haben zwar die Not unserer Gemeinden stets vor Augen gehabt, unsere eigenen Nöte haben wir jedoch kaum thematisiert. Ich hätte uns mehr Mut gewünscht statt nach noch mehr Professionalität und Effizienz zu streben, mehr Herz und Interesse für den anderen  zu zeigen. Lob und Ermutigung kam viel zu kurz.

 

Stefan Hoyer aus der EFG Altona äußert sich in einem Gespräch folgendermaßen:

„Es war eine wunderbare und echte Gemeinschaft zwischen den Mitarbeitenden aus unseren fünf Gemeinden. Wir erlebten dabei eine viel höhere Anforderung an alle, die am Gottesdienst und den Planungen mitgewirkt haben. Ich denke, es war fast die dreifache Belastung im Vergleich zu einem normalen Gottesdienst.
Wir haben uns wöchentlich per Video-Zoom-Konferenz vorbereitet. Man hat sich zwar an den Bildschirmen vor Augen, erlebt aber dabei keine wirkliche Begegnung. Das hat die Vorbereitungen komplex gemacht. Bei den ausgestrahlten Gottesdiensten die gemeinsamen Ergebnisse dann sehen und durchsprechen zu können, hat unsere Gemeinschaft wiederum gestärkt.

Mein persönliches Highlight war der Pfingstgottesdienst mit der Interaktion während der Predigt. Solche Elemente hätte ich mir zu Beginn schon gewünscht, Beteiligung von zuhause aus und im Gottesdienstraum und das Ganze mithilfe  von Technik!

Wir haben bis Anfang Juli insgesamt 15 Gottesdienste miteinander gefeiert. Es war  herausfordernd, alle Beteiligten, die jeweilige Persönlichkeit der einzelnen Leute und die Wirkung der Leute vor der Kamera in ein angemessenes Niveau einzuregeln. Lokalpatriotismus spielte auch eine Rolle, jeder wollte mal seine Nase in die Kamera halten, … das alles in eine Reihe und ins Gleichgewicht zu bekommen, das war sicher schwerer als in einem normalen Gottesdienst. Hinzu kam auch noch die allgemeine ‚Corona-Nervosität‘.

Ich fand es aber auch besonders erfreulich zu erleben, dass die sonst so zwischen den Gemeinden gepflegten Grenzen ganz  einfach gefallen sind und dass wir uns als Gemeinschaft über die Gemeindegrenzen hinaus erlebten.

Und natürlich haben wir auch gelernt, dass wir die Leute nicht motivieren müssen, in unser Gebäude zu kommen. Sie können hören und sehen, ohne ins Gebäude zu kommen. Das gilt auch für die Zeit nach Corona. Menschen können dem Evangelium auf vielfältige Weise begegnen. Auf die Dauer kamen mir zu wenig Rückmeldungen aus den Gemeinden. Manchmal hatte ich  den Eindruck, dass einige zuhause an den Bildschirmen unsere gestreamten Gottesdienste mit Fernsehgottesdiensten verglichen. Mehr inhaltliches Feedback wäre  gut gewesen, um der Sache vielleicht noch mehr gerecht zu werden. Gleichzeitig sollte ein gestreamter Gottesdienst  nie als ein perfekt gemachter Film verstanden werden. Es ging uns immer um authentische Gottesdienste über räumliche Grenzen hinweg. Und es hat mir trotz der intensiven Arbeit viel Spaß gemacht. Ich liebe übergemeindliche Zusammenarbeit.

Michael Becker aus der EFG  Hamburg Hamm schreibt:

“Was für eine gelungene Zeit bei all den Schwierigkeiten, die Gemeinschaft der Gemeinde aufrecht zu erhalten.“
Das ist für mich die Quintessenz der Zusammenarbeit der 5 Hamburger Stadtgemeinden in der gemeinsamen Streamingzeit.
Das Kennerlernen der leitenden Schwestern und Brüder aus den anderen Gemeinden ist eine wunderbare Erfahrung gewesen.  Namen, die ich irgendwann schon mal gehört hatte – Schwester Hoffmeister aus Eimsbüttel, Bruder Hoyer aus Altona, Pastor da Silva aus Ottensen – jetzt sind sie und viele andere dazu, mir viel näher gerückt, ja Freunde geworden sind.
Ich durfte erleben, wie all diese Geschwister in Jesus, mit viel Liebe, Energie und Ernsthaftigkeit sich bemüht haben, die Einheit zu suchen und zu praktizieren. Das hat für mich und meinen Standort und unsere Gemeinde in Hamm, ein gutes Gefühl gemacht, nach dem Motto:  Im Notfall sind wir nicht allein.

Wenn so viele “ Gemeinde Manger“ aufeinandertreffen, entsteht natürlich auch viel Energie , aber gerade hier gilt die alte Gesetzmäßigkeit der Physik: Wo Reibung ist, entsteht Wärme. Unterschiedliche Bedürfnisse bei der Gestaltung von Gottesdiensten werden schnell klar, und es gilt sie unter einen Hut zu bekommen, die Bedürfnisse und Traditionen wertzuschätzen und zu verbinden. Wie andere Gemeinden ticken, die enorme Arbeitsbelastung Einzelner zu sehen und trotzdem nicht nachzulassen in dem Versuch der Einheit, dass hat im Rückblick gut funktioniert, auch wenn dieser neue Gemeinschaftsmotor hier und da mal stotterte und es zu leichten Fehlzündungen kam.   Egal. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!!

Für uns alle ist eine Forderung unseres Vaters gesetzt: Suchet die Einheit!! Das ist nicht verhandelbar. Geben wir auf, diese Einheit unter uns Baptisten zu suchen, können wir auch gleich sämtliche ökumenischen Ambitionen begraben. Daher: Zusammenarbeit unserer Gemeinden – ob in Corona- oder anderen Zeiten – immer gerne wieder.
Und darüber hinaus, lasst uns nachdenken, wie wir das Territoriale – Stadtteil – Baptisten – Gemeinde-Gefühl in ein WIR -Baptisten-in Hamburg-Gefühl verwandeln können. Damit wäre uns auf lange Sicht bestimmt geholfen.

Ein Virus hat uns gezwungen nachzudenken und zusammen zu kommen. Aber eigentlich brauchen wir das gar nicht, um uns miteinander auf den Weg zu machen.

Teil 1: Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 1
Teil 2: Hinter den Kulissen eines Streaming-Gottesdienstes, Teil 2
Teil 3 (dieser Artikel): Gemeinsame Streaming-Gottesdienste beendet. Das meinen die GemeindeleiterInnen.