18. Januar 2021 | erlebt

„Geschenkt!“ Eine Andacht von H.Worreschk

Wann haben Sie das letzte Mal ein Geschenk bekommen, liebe Leserin, lieber Leser? Wahrscheinlich zu Weihnachten 2020, oder? Zu keiner anderen Gelegenheit beschenken sich so viele Menschen wie zu Weihnachten, noch dazu so reichlich. Aber etliche von Ihnen haben wohl auch vergeblich auf ein Geschenk gewartet, wenigstens auf eine kleine Aufmerksamkeit. Das war sicher eine enttäuschende Erfahrung. „Man hat mich vergessen“ – kein angenehmes Gefühl.

Denn sich zu beschenken gehört ganz wesentlich zu unserem menschlichen Miteinander, zu unserer Kultur. Zum Geburtstag, zu einem Jubiläum oder anderen besonderen Anlässen darf ein Geschenk nicht fehlen. Es bringt zum Ausdruck: „Ich denke an dich. Du bist mir wichtig. Ich mag dich.“ Und nicht selten auch: „Ich liebe dich.“ Der materielle Wert spielt dabei oft keine Rolle. Allein dass jemand an uns gedacht hat und das mit einem Geschenk zum Ausdruck bringt, tut uns gut. In unserer profitorientierten Gesellschaft ist es manchmal schon außergewöhnlich, beschenkt zu werden – einfach etwas zu bekommen, ohne dafür bezahlen zu müssen.

Mit einem Geschenk drücken wir unsere Wertschätzung für andere Menschen aus. Wir möchten ihnen damit eine Freude machen. Die Freude ist am größten, wenn wir etwas geschenkt bekommen, was wir uns schon lange gewünscht haben oder was gerade jetzt genau passt; und wir freuen uns umso mehr, wenn wir das gar nicht erwartet haben. Darüber freuen sich dann die Schenkenden genauso.

Manchmal ist ein Geschenk auch der konkrete Ausdruck gelebter Barmherzigkeit, die praktische Hilfe aus einer Notlage, aus großer Bedrängnis, unkompliziert und ohne viele Worte. Gut, dass es Menschen gibt, die materiell und finanziell helfen können und wollen, die bedürftige Mitmenschen nach ihren Möglichkeiten beschenken, und das ohne Berechnung, ohne eine Entschädigung zu erwarten.

Eigentlich freut sich jeder Mensch über Geschenke. Aber manchmal fällt es uns schwer, uns beschenken zu lassen. Wir halten ein Geschenk für überflüssig: „Das wäre doch nicht nötig gewesen!“ Oder wir meinen, es stehe uns nicht zu: „Das kann ich doch nicht annehmen!“ Wir sind verstimmt, wenn wir mit einem halbherzigen gemachten Geschenk zufriedengestellt oder abgewimmelt werden sollen. Und manches Geschenk erweckt unser Misstrauen, entweder weil der Schenkende trotz seiner scheinbaren Großzügigkeit doch eine Gegenleistung erwartet, oder weil etwas Geschenktes ja nichts taugen kann: „Was nichts kostet, ist nichts wert!“ Und manch eine*r von uns musste schon enttäuscht und verbittert feststellen: „Man kriegt im Leben nichts geschenkt!“

Schenken und auch sich beschenken zu lassen ist manchmal gar nicht so einfach. Möglicherweise müssen wir es wieder lernen oder auch einüben. Lassen wir uns doch neu ermutigen,
– freigiebig zu sein, ohne einen Ausgleich für unsere Gabe zu erwarten,
– Fantasie zu entwickeln, um für jemanden das genau passende Geschenk zu finden,
– auch ideelle, nicht-materielle Gaben zu verschenken: Zuwendung und Aufmerksamkeit, ein offenes Ohr, etwas von unserer kostbaren Zeit für unsere Mitmenschen, praktische Hilfe…
– denen, die uns beschenken, zu glauben, dass sie uns wirklich mögen und uns nicht nur abspeisen oder loswerden wollen,
– uns einfach beschenken zu lassen, ohne uns zu einer Gegenleistung verpflichtet zu fühlen.

Die Bibel stellt uns den lebendigen Gott als großzügigen Geber vor Augen:
Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, vom Vater des Lichts (Jakobus 1,17)
In seiner Macht hat Gott uns alles geschenkt, was wir zu einem Leben in liebevoller Ehrfurcht vor ihm brauchen (2. Petrus 1,3).
Fehlt es aber jemand von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemandem einen Vorwurf (Jakobus 1,5).

Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Gaben und Geschenke Gottes in ihrem Leben erkennen – und dass Sie ihm von Herzen dafür danken können. Bleiben Sie bewahrt!

Henning Worreschk, Gemeindediakon der Kreuzkirche Neumünster und der Christuskirche Hamburg-Altona (Baptisten)

 

 

 

Der Text ist auch zu finden in: „Die Jerusalëmmer. Das Straßenmagazin aus dem Herzen  Schleswig-Holsteins (Februar 2021)“