Liebe.Kraft.Besonnenheit.
Um Kraft, Liebe und Besonnenheit geht es im Gottesdienst am 27.September. Wir sind vor Ort bis auf den letzten Platz belegt. Gerne kannst du hier per livestream dabei sein oder ihn später auch noch anschauen. Oder du liest einfach mal ein paar Sätze zum Bibeltext 2.Tim. 1,7.
Gedanken, Wortstudien und Zitate aus dem ‚Theologischen Wörterbuch zum NT‘/Kohlhammer-Verlag, zu 2.Timotheus 1,7
„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
Einleitende Anmerkungen
In seinem Brief an Timotheus gibt der Apostel Paulus Rechenschaft über sein Leben ab. Er beschreibt sich als Zeugen und als treuen Apostel, Prediger und Lehrer des Evangeliums.
Ob der Brief wirklich aus der Feder des Paulus kommt oder ob die Zeilen „im Sinne und im Geist des Paulus“ verfasst wurden, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Im Weiteren ist der Einfachheit halber von Paulus die Rede.
Paulus befindet sich in Gefangenschaft in Rom. Die Gefangenschaft dauert ca. zwei Jahre. Er kann Gäste empfangen (2Tim 1,17; 4,21), er widmet sich der brieflichen Korrespondenz, erhält Unterstützung durch die Gläubigen vor Ort (4,11.21) und entsendet Mitarbeiter.
Dennoch scheint die Situation hoffnungslos, die Stimmung gedrückt und es wird keine Hoffnung auf das Ende seiner Gefangenschaft ersichtlich. Paulus sieht seinen Tod unmittelbar bevorstehen (2Tim 4,6), seine Mission ist schweren Angriffen durch Gegner und konkurrierende Missionare ausgesetzt (2Tim 2,17f.; 4,14), seine Verbündeten lassen ihn im Stich (2Tim 1,15; 4,10) und während seiner ersten Verteidigung steht ihm niemand bei (2Tim 4,16).
In dieser von Verzweiflung, Verlassenheit und dem Ungewissen gekennzeichneten Situation verfasst Paulus seinen letzten und wohl und persönlichsten Brief.
Weil Gott uns aus seinem eigenen Entschluss und aus Gnade errettet und gerufen hat, sollen wir nicht mit Verzagtheit und Furcht reagieren, sondern unserem Leben durch den von Gott gegebenen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit die ‚göttliche‘ Richtung geben. Wir sollen das Leben leben, das Gott in uns hineingelegt hat. Es ist Gottes Kraft, Gottes Liebe und Gottes Besonnenheit, die in uns wirkt.
Kraft
Die auf den Wortstamm ‚Kraft‘ zurückgehenden und die von ihm abgeleiteten Worte haben alle die Grundbedeutung des Fähig-Seins. ‚Vermögen‘, und ‚können‘ gehören also zum Wortverständnis von ‚Kraft‘. Einerseits werden mächtige Herrscher werden als ‚Kräftige‘ tituliert, andererseits sind es die ganz normalen Menschen, die Kraft haben. Mit ‚Kraft haben‘ wird meistens eine subjektive seelische oder moralische Grundhaltung eines Menschen verbunden, die das Können/ Vollbringen ermöglicht. Man könnte auch von ‚Vermögen‘ oder ‚Tüchtigkeit‘ (Möglichkeit, etwas zu tun, Anlage, Fähigkeit) eines Menschen sprechen.
Kraft wird aber nicht nur Menschen zugeordnet. Im Griechentum war Kraft immer auch verbunden mit Gedanken über ein wirksames Weltprinzip. Hinter allem Geschehen steht und wirkt eine übermächtige unpersönliche, aber alles bestimmende Kraft.
Im AT „weht uns aber eine ganz andere Luft entgegen, wenn es um ‚Kraft‘ geht!“.
An der Stelle einer neutralen Gottesidee oder eines neutralen Weltprinzips steht der persönliche Gott. Statt neutraler Naturkräfte ist von der Kraft und Macht eines persönlichen Gottes die Rede.
„Der Unterschied des AT von der Umwelt liegt in dem besonderen Verhältnis der Gottheit zur Geschichte begründet. Der alttestamentliche Gott ist im Unterschied zu den Gottheiten der Umwelt, die wesentlich Naturgottheiten sind, der Geschichtsgott!“
Das alle Geschichte begründende und den persönlichen und zugleich mächtigen Gott deutlich machende Ereignis ist der Auszug aus Ägypten du die Rettung des Volkes am Roten Meer. Das Auszugsgeschehen ist die Substanz der jüdischen Religion und führt zu einem Gottesbegriff, der personalistisch-geschichtlichen Charakter trägt.
5.Mose 3,23: „Wo ist ein Gott im Himmel und auf Erden, der es deinen Werken und deiner Macht gleichtun könnte?“
Die Kraft, die Macht Gottes hat sich in geschichtliche entscheidungsvoller Stunde erwiesen, ohne sie gäbe es keine Jahwe-Religion, gäbe es kein Israel.
Gottes Macht, die völlig einzigartig ist und dem keine andere zu vergleichen ist, soll allen Völkern deutlich werden.
Die Kraft Gottes hat nach seinem Willen und Ziel einen geschichtsgestaltenden und geschichtsbildenden Charakter.
Die Einzigartigkeit des alttestamentlichen Gottesbegriffs und das damit verbundene Verständnis von Kraft drängen hin zu Lob, anbetendem Gottesdienst und Gebet.
Psalm 46,2: ‚Gott ist unsere Zuflucht und unsere Kraft‘.
Neutestamentlich muss gesagt werden, dass, so gewiß Gottes Wesen Kraft ist, so gewiß ist mit der Gabe seines Geistes die Kraftbegabung verbunden.
Der Ausdruck ‚Kraft‘ für besondere Taten kommt in der Umwelt Jesu durchaus häufig vor. Bei Jesus wird er auf seine Wundertaten angewendet. Die neutestamentlichen Wunder haben jedoch nichts zu tun mit Zauberei oder magischen Mitteln und Vorgängen wie die meisten Wunder im Umfeld Jesu. Schon der biblische Gottesbegriff verbietet das. Gott ist nicht abhängig von Mittel (Zaubersprüchen o.ä.), die der ‚Zaubernde‘ benutzt! Die Wunder werden hervorgerufen durch das kraft(!)-erfüllte Wort Jesu, das mit Zauberformeln nichts zu tun hat. Die personale Beziehung zwischen Jesus und Gott und die Beziehung Jesu zu den Menschen wirkt das Wunder.
Vom Glauben gilt, dass er alle Möglichkeit und mit der Möglichkeit alle Kraft hat (‚Alle Dinge sind mächtig/kräftig/möglich, dem, der da glaubt!‘ Mk 9,23 par.).
Die Jünger, die Jesus sendet, die stattet er mit Kraft aus („er gab ihnen Kraft/dynamin und Vollmacht/exousia).
2.Tim. 4,17: Der Herr stand mir bei uns stärkte/‘bekräftigte‘ mich.
Liebe
Das hebräische Wort für Liebe bezeichnet entweder eine Beziehung zu Personen oder bezieht sich auf Dinge und Handlungen. Mit der Wortgruppe Liebe „wird grundsätzlich ein spontanes Gefühl bezeichnet, das zur Selbsthingabe drängt oder, wenn es sich um Dinge handelt, zur Bemächtigung des Gegenstands treibt, der das Gefühl weckt.
Liebe ist eine unerklärbare, im Menschen gegebene und vorfindliche Seelenkraft. Man liebt mit ‚ganzem Herzen, ganzer Seele und mit ganzer Kraft‘ (5.Mose 6,4 u.a.). Die ‚Liebe Gottes‘ ist für alttestamentliche Autoren immer in Beziehung zu sehen mit Gottes Personhaftigkeit.
‚Liebe‘ im Alten Testament bezeichnet einerseits die menschliche, ‚normale‘, weltliche Liebe (vgl. Hohelied; die Liebe wird hymnisch und als positive Macht besungen ). Andererseits kann Liebe aber auch mit religiösen und theologischen Aussagen verbunden sein.
‚Liebe‘ gehört wie selbstverständlich zum Menschsein und wird deswegen ebenso selbstverständlich zur Norm des sozialen Verhaltens erklärt. Es ist daher ganz logisch, dass die Liebe auch unter dem Schutz des göttlichen Gesetzes steht und immer wieder an die Liebe erinnert wird.
Der hohe Bedeutung des religiösen Liebesgedankens lässt sich von der hohen Bedeutung des Liebesgedankens im zwischenmenschlichen Miteinander ableiten. Das Alte Testament formuliert die wechselseitige Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch jedoch sehr zurückhaltend.
Der wichtigste, bedeutendste und alle anderen Begriffe umfassende Terminus für das Miteinander von Gott und Mensch ist der Bundesgedanke.
Der Liebesgedanke ist dem aus der Rechtssprache entstammenden Bundesgedanken eher etwas fremd. „Aber ohne Zweifel ist der Bundesgedanke nichts anderes als aus juristischem Denken gewonnener Ausdruck der Erfahrung von Gottes Liebe und mithin der Liebesgedanke der tragende Grund der ganzen Bundestheorie.“
„Liebe als ein Grundgefühl des Frommen gegenüber der Gottheit ist dem AT vertraut, ohne dass der Inhalt dieses Gefühls in lehrhafter Weise näher bestimmt würde.“
„Gott lieben, heißt an ihm gefallen zu haben und zu ihm zu streben.“
Es ist auffällig, wie wenig das AT davon redet, dass Gott eine bestimmte Person liebt.
„Es darf also wohl gesagt werden, daß man Gottes Liebe im Grundsinn nicht auf einzelne Personen zu beziehen pflegte. Dem entspricht, dass meist nur kollektive Objekte der Liebe Gottes erwähnt werden (vgl. Bundesgedanke). Die Liebe Gottes zeigt sich immer und vor allem zuerst im liebevollen Handeln Gottes mit und an seinem Volk.
Im NT tritt die Liebe Gottes durch die Verkündigung und das Handeln Jesu vor allem als verzeihende Liebe auf. Jesus kennt zudem auch die bevorzugende Liebe – das ist die Liebe Gottes, die sich ausschließlich auf ihn, Jesus, richtet.
Jesus, der Sohn, bringt allen Menschen die verzeihende und auch die bevorzugende Liebe Gottes entgegen, auf die der Mensch mit dankbarer Liebe antworten soll. Die antwortende Liebe soll sich in unbedingter Hilfs- und Vergebungsbereitschaft gegen den Mitmenschen zeigen.
In den neutestamentlichen Briefen ist das Ziel des göttlichen Liebeswerkes der Mensch. Aber dieses Werk kommt nicht zum Ziel ohne den (mit einem ‚Liebeswerk‘ antwortenden) Menschen.
„Wie für Jesus, so ist auch für Paulus die Liebe die einzige Lebensmacht, die Zukunft hat“ in diesem vergänglichen, vom Tod und negativen Mächten bestimmten Zeitalter.
Besonnenheit
Im Griechischen bedeutet das Wort Besonnenheit in der Literatur zunächst einmal etwas ‚mit gesundem Sinn‘ zu tun. Das griechische Wort kann jedoch kaum angemessen ins Deutsche übertragen werden. Vielleicht könnte man es am besten mit ‚vernünftig‘ im Sinne von ‚geistig gesund‘ oder ‚ohne Illusion‘ übertragen. Im Griechischen schwingt beim Wort ‚Besonnenheit‘ auch immer ein wenig der Sinn von Selbstbeherrschung und kluger Zurückhaltung mit.
Im Neuen Testament kommt die Wortgruppe ‚Besonnenheit‘ nur 14 mal vor. Davon 8 mal in den sog. ‚Pastoralbriefen‘ (1. + 2.Timotheus und Titus).
Im Markusevangelium (5,15) wird ein von Jesus geheilter Besessener als ‚besonnen‘ im Sinne von vernünftig beschrieben. Er wurde soeben von seiner ‚mania‘ (Manie) befreit.
Im Römerbrief (12,3) geht es darum, dass man maßvoll, ‚besonnen‘ von sich selbst denken soll. Gemeint ist, dass man das ‚rechte Maß‘ bei der Selbsteinschätzung halten soll und dabei die ‚gesetzten Grenzen‘ nicht überschreiten soll.
Im 2.Korintherbrief setzt Paulus dem Verhalten der ‚Charismatiker‘ das Besonnensein entgegen (2.Kor. 5,13: „Denn wir außer uns waren, so war es für Gott ; sind wir aber besonnen, so sind wir’s für euch.“). Zur ‚Entzückung vor Gott‘ gehört also die nüchterne, besonnene Zuwendung zum Bruder und zur Schwester.
Im 1.Petrusbrief wird angesichts des ‚nahenden Endes‘ zur Besonnenheit aufgerufen: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet.“ (1.Petr.4,7).
Die Wortgruppe ‚Besonnenheit‘ dient in den Pastoralbriefen hauptsächlich der Beschreibung des christlichen Lebens in der Welt. Würde man gefragt werden: ‚Wie verhält sich ein Christ/ eine Christin mitten in einer immer chaotischer werdenden Welt?‘, so wäre die Antwort der Pastoralbriefe eindeutig: Besonnen!