12. Juni 2020 | erlebt

‚Meine 2 Gesichter‘ – ein paar Gedanken …

Seit Wochen tragen wir Masken. ‚Maske‘ ist hochdeutsch für das norddeutsche ‚Schnutenpulli‘. Wenn ich  irgendwo mit Leuten ins Gespräch komme,  nehme ich gerne Abstand und ziehe dann meine Maske vom Gesicht. Oft zieht mein Gegenüber dann auch seinen Stoff beiseite.

Dann sprechen wir ‚ganz normal‘ miteinander. Ich freue mich an der Mimik, am ‚Gesamteindruck‘ und an den offenen Gesichtern, in die ich blicke.
Mit Maske vor dem Gesicht  fallen mir Gespräche schwerer. Nicht nur, dass ich das Gesagte  schlechter verstehe, ich habe bei fehlendem Blick ins Gesicht  auch Probleme, Feinheiten in Aussagen oder Zwischentöne zu hören.

Manchmal trage ich noch eine ganz andere Maske. Sie ist auf den ersten Blick nicht zu sehen.  Es handelt sich dabei nicht um ein Stück Stoff oder um eine anderen Virenschutz.

Ich verstelle mich.  Ich wirke absichtlich anders, als ich eigentlich bin oder sein möchte. Ich lasse andere zwar in mein Gesicht blicken, aber ‚in die Karten‘ schaut mir niemand!

Sich zu verstellen oder sogar zu verstecken scheint zum Menschsein zu gehören. In der Schöpfungsgeschichte wird beispielhaft erzählt, dass Menschen sich vor Gott verstecken. Irgendwie hatten sie einen Grund dafür. Von Gott wird erzählt, dass er die Menschen sucht und fragt: „Mensch, wo bist du?“

Vor Gott brauche ich mich nicht zu verstecken. Der meint es immer gut mit mir, schaut mich an und will mit mir in einen ehrlichen und offene Dialog treten. Gerne will ich ihm mein ‚echtes‘ Gesicht zeigen. Und ebenso gerne will ich meine unsichtbare Maske auch gegenüber meinen Mitmenschen absetzen.
Der ‚Schnutenpulli‘  hingegen muss wohl noch eine Zeit lang sein.

Carsten Hokema