„There is a crack“
“There is a crack, a crack in everything That’s how the light gets in” ( Es ist ein Riß in allem, aber genau dort hindurch scheint das Licht ) – singt der kürzlich verstorbene Leonard Cohen in seinem Lied „Anthem“. Nichts auf dieser Welt ist ohne diesen Riss. Alles ist irgendwie angeknackst, mit wundem Punkt, wo die heile Welt zerbrochen ist. Wenn die Kirche ihre Passionszeit feiert, lässt sie sich auf diese mutige und zugleich schmerzhafte Sicht des Lebens ein.
Das Kreuz, das während der Passionszeit in unserer Kirche aufgestellt ist, symbolisiert dieses Wagnis, hinzuschauen und auszuhalten. Die rostigen Träger dienten ursprünglich als Fensterstürze über einem der vielen Kirchenfenster. Sie mussten ausgetauscht werden. Sie drohten unter der Last des Gemäuers zu zerbrechen. Zwei Träger haben wir zu einem Kreuz zusammengeschweißt und etwas nach hinten geneigt aufgestellt. Es erinnert so an die Trümmer des 9/11 in New York. Noch intensiver verweist es uns symbolisch darauf, dass in Jesus Christus Gott selbst unser Leid, unsere Risse geteilt hat.
Ich habe erlebt, wie Menschen vor diesem Kreuz gestanden haben und in Tränen ausgebrochen sind. Sie identifizierten sich mit diesem Kreuz und zugleich empfanden sie sich in ganz intensiver Nähe dieses mitleidenden Gottes. Gerade dort, wo das Leiden ist, da ist auch der Ort, wo der Trost sie erreicht. Das Licht. Unglaublich. Und doch, nichts anderes beschreibt das Evangelium, wenn es an Ostern von Auferstehung redet.
Pastor Manfred Kasemann