6. Januar 2021 | erlebt

“Warten auf bessere Zeiten” – eine Andacht von Henning Worreschk.

Die Andacht kann man hier hören.

Oder hier lesen:

Die „Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen“ sucht für jeden Monat einen Bibelvers aus, gleichsam als Motto. Der Monatsspruch für Januar 2021 passt genau in unsere gegenwärtige Lage: Viele Menschen fragen: »Wer wird uns bessere Zeiten bringen?« Lass das Licht deines Angesichts über uns leuchten, Herr! (Psalm 4,7).

Ja, wer wird uns bessere Zeiten bringen? Das ist die Frage unserer Tage: Wann geht es uns wieder besser? Wann wird die Pandemie endlich überstanden sein? Und wer weiß, wie wir das am besten schaffen? Unsere Politiker – oder die Wirtschaftsweisen? Die Konzernchefs, oder doch eher die Mediziner, die Forscher – oder wer sonst? In so einer weltweiten Krise kommen Menschen an die Grenzen ihres Fachwissens und ihrer Möglichkeiten. Denn wer kann schon die gegenwärtige Lage unter allen Gesichtspunkten angemessen beurteilen! Viele Entscheidungen, die unsere Lebensumstände verbessern sollen, müssen einfach gewagt werden. So wie jetzt kann es nicht bleiben, man muss etwas tun – auch wenn man die Folgen nicht zuverlässig voraussehen kann.

 

Ich finde es einigermaßen tröstlich, dass Menschen schon vor zweieinhalb bis drei Jahrtausenden – nämlich, als dieser Bibelvers geschrieben wurde – genau so gefragt haben: Wer wird uns bessere Zeiten bringen? Der Psalmdichter spricht damit aus, was etliche denken: Viele Menschen fragen so, sagt und singt er. Und die Frage bleibt offen. Auch der Psalmist hat keine schnelle Antwort. Aber er bleibt nicht bei der offenen Frage stehen, sondern spricht sie im Gebet aus. Der Beter klagt die allgemeine Ratlosigkeit dem lebendigen Gott: Viele Menschen fragen: Wer wird uns bessere Zeiten bringen? Lass das Licht deines Angesichts über uns leuchten, Herr! Der Beter bleibt weder bei der Frage noch bei der Klage stehen, sondern er bittet Gott um seinen Beistand: Lass das Licht deines Angesichts über uns leuchten, Herr! Das ist eine wunderbare dichterische Sprache. In unserer Alltagssprache würden wir es wohl etwas nüchterner ausdrücken und so beten:

„Gott, schau nicht weg! Sondern sieh unsere Situation an, unsere Notlage, unsere unsichere Zukunft. Und schau doch auch, wie es in uns aussieht: Sieh unsere Sorgen und unsere Angst vor dem Unbekannten. Und, Gott, halt dich nicht heraus, zieh dich nicht zurück, sondern sei bei uns, bleib bei uns und geh mit uns auf unseren Lebenswegen. Schenk uns die notwendige Kraft, schenk immer wieder neu Zuversicht, und gib uns Weisheit für den nächsten Schritt.“

Liebe Leserinnen und Leser, ich möchte Sie ermutigen, ihre Unsicherheit und Ratlosigkeit im Gebet vor Gott auszusprechen. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie dann innerlich zur Ruhe kommen, selbst wenn Sie noch nicht viel weiter sehen können als vorher. Aber sie dürfen vertrauen: Der lebendige Gott ist bei Ihnen und geht mit Ihnen. Der Psalmbeter hat das offenbar erfahren. Denn er beendet seinen Psalm voller Vertrauen und in großer Gelassenheit:

In Frieden lege ich mich nieder und schlafedenn du allein, Herr, gibst mir Geborgenheit.

 

Henning Worreschk
Diakon für Seniorenarbeit und Musikprojekte der Christuskirche Altona